408 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
möglichkeit von der ihm selber obliegenden Gegenleistung befreit, so gilt dies
nur für den Teil der Gegenleistung, der dem unmöglichen Teil der andern
Leistung entspricht (s. 323 I, zweiter Halbsatz).
2. Doch erleidet die Regel zu 1 eine Ausnahme, wenn der Gläubiger an dem
möglichen Teil der Leistung gar kein Interesse hat: er kann hier, wenn er infolge
der Teilunmöglichkeit einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung oder
ein Rücktrittsrecht hat, Schadensersatz wegen Ausbleibens der ganzen Leistung
fordern oder von dem Vertrage im ganzen zurücktreten (s. 280 II, 325 I
Satz 2).
3. Eine noch weiter gehende Ausnahme gilt, wenn eine vertragsmäßig be-
dungene Leistung zu einem Teil von Anfang an objektiv unmöglich ist: hier
ist infolge der Teilunmöglichkeit der Vertrag als Ganzes nichtig, es sei denn,
daß anzunehmen ist, die Parteien würden den Vertrag auch über den mög-
lichen Teil der Leistung allein abgeschlossen haben (s. 139, 307 II). Dem-
gemäß erstreckt sich die Wirkung der Teilunmöglichkeit in diesem Fall auf den
möglichen Teil der Leistung selbst dann, wenn der Gläubiger eines Interesses
an diesem Teil durchaus nicht darbt, sondern nur die Interessen des Schuldners
einer Teilerfüllung des Vertrages widerstreiten.
Beispiele. I. Der Sänger A. hat für ein von B. veranstaltetes Konzert eine Arie zu
singen übernommen, obschon er das im letzten Takt ein einziges Mal vorkommende hohe c
nicht singen kann. Hier liegt vollständige Unmöglichkeit und nicht bloß Teilunmöglichkeit
der geschuldeten Leistung vor. Denn eine Arie ist im Rechtssinn unteilbar. II. Der Klavier-
spieler C. ist von D. für ein Konzert engagiert, um den Sänger E. beim Vortragen einiger
Lieder zu begleiten und außerdem eine Klaviersonate zu spielen; E. ist aber vor dem Konzert
plötzlich gestorben. Hier liegt Teilunmöglichkeit in Ansehung der Liederbegleitung vor.
1. Ist E. erst gestorben, nachdem C. bereits engagiert war, so bleibt das Engagement mit
Bezug auf die Klaviersonate gültig; C. muß sie also spielen, erhält aber dafür bloß einen
entsprechenden Teil des bedungenen Honorars. Anders nur, wenn D. an dem bloßen Vor-
trage der Sonate gar kein Interesse hat. 2. War E. schon gestorben, als C. von D. enga-
giert wurde, so ist C.s Engagement ganz ungültig; denn es ist nicht anzunehmen, daß er
allein für die Klaviersonate engagiert worden wäre.
VI. 1. Ist eine Leistung nur vorübergehend unmöglich, so kommen grund-
sätzlich nicht die Regeln von der Unmöglichkeit, sondern die Regeln von der
Verspätung der Erfüllung (unten §§ 105 ff.) zur Anwendung. Die wichtige Folge
ist, daß die Unmöglichkeit ihre rechtliche Bedeutung verliert, wenn sie bis zur
Erfüllungszeit oder unter Umständen bis zum Ablauf einer dem Schuldner vom
Gläubiger zu gewährenden angemessenen Nachfrist gehoben wird.
2. Doch erleidet die Regel zu 1 eine Ausnahme, wenn eine vertragsmäßig
bedungene Leistung von Anfang an objektiv unmöglich ist: hier bleibt der
Vertrag grundsätzlich nichtig, auch wenn die Unmöglichkeit nachträglich gehoben
wird, es sei denn, daß der Vertrag ausdrücklich oder stillschweigend für den Fall
der Möglichkeit der Leistung oder daß er unter einer aufschiebenden Bedingung
oder Befristung geschlossen war und die Unmöglichkeit noch vor dem Eintritt
der Bedingung oder des Termins gehoben wird (308).