Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 8. Die Rechtsquellen. § 9. Die Gesetze. 25 
2. Bas Gesetzerrecht. 
8.9. 
I. Das deutsche bürgerliche Gesetzesrecht ist entweder Reichsgesetzes- 
recht oder Landesgesetzesrecht oder autonomes Statutarrecht. 
1. a) Die Reichsgesetze sind vom Reich oder von dessen Rechtsvorgänger, 
dem norddeutschen Bunde, erlassen. Sie zerfallen in zwei Unterarten: 
a) Reichsgesetze im engeren Sinn, die vom Bundesrat unter Zustimmung 
des Reichstags erlassen sind; 
8) Reichsverordnungen, die vom Kaiser, Bundesrat, Reichskanzler usw. 
ohne Mitwirkung des Reichstages erlassen sind. 
b) Die Landesgesetze sind von den einzelnen zum Reich gehörigen 
Bundesstaaten oder von einem Rechtsvorgänger eines dieser Staaten erlassen; 
außerdem sind zu den Landesgesetzen auch die Gesetze zu rechnen, die das 
Reich als Landesherr von Elsaß-Lothringen erlassen hat. In den meisten 
Staaten zerfallen die Landesgesetze in die nämlichen zwei Unterarten wie die 
Reichsgesetze: 
a) Landesgesetze im engern Sinn, die vom Landesherrn unter Zustimmung 
des Landtags erlassen sind; 
8) Landesverordnungen, die vom Landesherrn, einem Landesministerium, 
einer Polizeibehörde usw. ohne Mitwirkung des Landtags erlassen sind. 
c) Die autonomen Statuten gehen von einem Personenverbande aus, der 
nicht als Staat organisiert, trotzdem aber durch eine Vorschrift des Reichs- 
oder Landesrechts mit einer beschränkten Gesetzgebungsgewalt, der sog. Auto- 
nomie, ausgestattet ist. Eine derartige Gesetzgebungsgewalt steht namentlich den 
Ortsgemeinden und höheren Kommunalverbänden sowie den landesherrlichen 
und hochadeligen Familien zu.? 
Beispiele: I. 1. Reichsgesetze i. e. S.: die oben S. 20, 4 genannten Ergänzungsgesetze 
zum BE.; nordd. Bundesgesetz betr. die Beschlagnahme des Arbeitslohnes v. 21. Juni 69. 
2. Reichsverordnungen: kaiserl. V. v. 27. März 99 betr. die Hauptmängel u. Gewährfristen beim 
Biehhandel; V. d. Bundesrats v. 7. Juli 01 über die Mündelsicherheit der Kommunalanleihe= 
papiere. II. 1. Landesgesetze i. e. S.: bayr. Ges., Ubergangsvorschriften z. BGB. betreffend 
v. 9. Juni 99; Gesindeordn. der vormaligen Herzogtümer Schleswig u. Holstein v. 25. Februar 40. 
2. Landesverordn.: württemb. V. v. 30. Juli 99 über den Zeitpunkt, in dem das Grundbuch 
in Württemberg als angelegt gilt. III. Autonome Statuten: das Hausgesetz im Geschlecht 
der Grafen und Herren von Giech von 55. 
2. à) Die Reichsgesetze dürfen das ganze Gebiet des Privatrechts ordnen 
(MVerf. Art. 4 Nr. 13).3 
b) Dagegen dürfen die Landesgesetze sich nur derjenigen Teile des bürger- 
1) Zitelmann, Grundriß S. 10. 
2) Stobbe 1 § 20; Ortmann, standesherrl. Autonomie (05); s. auch dens., die rechtl. 
Katur der Arbeitsordn. (05); Rehm, Annalen d. D. Reichs 94 S. 132. 
3) Siehe auch unten zu b y.
	        
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