8 102. Erfüllung von Forderungen an und durch Dritte. 415
sein und nicht in des Gläubigers Eigentum übergeht und daß, wenn der Schuldner ver-
sehentlich mehr an ihn bezahlt hat, als in der von ihm ausgestellten Quittung steht, für das
Mehr nur er und nicht der Gläubiger haftbar ist.
2. Selbstverständlich braucht die Erfüllung an den, der zum Empfang der
geschuldeten Leistung zuständig ist, nicht in Person zu erfolgen, sondern kann
auch an einen mit Vertretungsmacht ausgerüsteten Stellvertreter geschehn.
Beispiel. In dem eben zu 1 genannten Fall kann sich der Bankier C. bei Annahme
der Zahlung B.s durch seinen Prokuristen D. vertreten lassen. Dann ist A. Gläubiger; C.
hat neben A. über dessen Forderung eine (beschränkte) Verfügungsmacht; D. endlich ist be-
fugt, diese Macht im Namen C. geltend zu machen.
3. Wird die Erfüllung gegenüber einer Person vorgenommen, die weder
zur Empfangnahme der geschuldeten Leistung in eignem Namen zuständig ist
noch für eine derart zuständige Person Vertretungsmacht hat, so ist die Er-
füllung als solche ungültig und der Schuldner bleibt zu ihrer Wiederholung
gegenüber der richtigen Adresse verbunden. Doch kann die Ungültigkeit nach
Maßgabe der früher entwickelten Regeln nachträglich mit rückwirkender Kraft
geheilt werden (s. oben S. 195, 294).
Beispiel. A. steht wegen seines Hauses in Verkaufsverhandlung mit B.; C., der in
A.s Hause zur Miete wohnt, zahlt im Glauben, daß die Verhandlung zum Abschluß
gelangt und B. Eigentümer des Hauses geworden sei, den fälligen Mietzins an B. I. Hier
ist diese Zahlung selbstverständlich keine gültige Erfüllung der auf den Mietzins gerichteten
Forderung. Denn diese Forderung stand allein dem A. zu, und B. konnte nicht über sie
verfügen, also auch nicht die Erfüllung von seiten C.s annehmen. II. 1. Dagegen wird
die Erfüllung rückwirkend gültig, wenn B. die von C. gezahlte Summe an A. abliefert
und A. daraufhin die Zahlung genehmigt. 2. Dasselbe ist der Fall, wenn die Verhandlung
zwischen A. und B. nachträglich zum Abschluß kommt und B. damit das Haus samt jener
angeblich bereits erfüllten Mietzinsforderung A.##gegen C. nachträglich erwirbt.
IV. 1. Viele Leistungen, die zur Erfüllung einer Forderung dienen, sind
höchstpersönlich und können alsdann nur durch den Schuldner selbst geschehn.
Beispiele. Die Erteilung von Unterricht, schauspielerische und sonstige künstlerische
Leistungen, Dienstbotenarbeit, ärztliche Behandlung.
2. Dagegen braucht der Schuldner alle andern Leistungen, die ihm zur
Erfüllung einer gegen ihn bestehenden Forderung obliegen, nicht in Person
zu bewirken, sondern kann sie einem Vertreter oder Gehülfen auftragen. Ja
es bedarf bei derartigen Leistungen nicht einmal eines Auftrages von seiten
des Schuldners, sondern jeder beliebige Dritte kann sie für den Schuldner aus
eignem Antriebe vornehmen. Dabei ist aber folgendermaßen zu unterscheiden.“
a) Im allgemeinen ist der Gläubiger stets berechtigt, die Intervention des
Dritten anzunehmen, und, solange der Schuldner ihr nicht widerspricht, ist er
sogar dazu verpflichtet (267). Nicht als ob der Dritte selber ein Recht hätte.
dem Gläubiger seine Intervention aufzudrängen! Wohl aber ist es der
Schuldner, der ein Recht darauf hat, daß der Gläubiger die Intervention des
Dritten nicht verschmäht: nicht gegenüber dem Dritten, sondern gegenüber dem
3) Ortmann, Arch. f. ziv. Pr. 82 S. 367.