Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

416 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen. 
Schuldner gerät der Gläubiger in Annahmeverzug, wenn er das Angebot des 
Dritten zurückweist. 
Beispiel. Die durch ihren aufdringlichen Wohltätigkeitssport bekannte A. hört, daß B. 
sich weigert, eine fällige Darlehnsschuld an seinen Gläubiger C. zu bezahlen, weil sie seiner 
Ansicht nach noch nicht fällig sein soll und daß B. und C. sich infolgedessen entzweit haben; 
nun tritt die A. ungebeten als Friedensstifterin auf, indem sie dem B. die Bezahlung des 
Darlehns aus eignen Mitteln anbietet. Hier kann die A. ihre Aufdringlichkeit bewähren, 
indem sie bei ihrem Angebot verbleibt, obschon nur der Schuldner B. oder nur der 
Gläubiger C. damit einverstanden ist, während der andre Teil gegen ihre Einmischung nach- 
drücklich protestiert. Nur wenn B. und C. in der Ablehnung des Angebots einig sind, wird 
die A. eine Niederlage erleiden. 
b) Ganz anders ist die Rechtslage, wenn der Gläubiger wegen seiner 
Forderung bereits die Zwangsvollstreckung in einen dem Schuldner gehörigen 
Gegenstand zu betreiben begonnen hat, an dem einem Dritten ein beschränktes 
Recht, insbesondre ein Pfandrecht zusteht oder der sich im Besitz eines Dritten 
befindet, und wenn der Dritte Gefahr läuft, durch die Zwangsvollstreckung sein 
Recht an dem Gegenstande oder seinen Besitz zu verlieren. 
a) Hier gilt zunächst die Besonderheit, daß der Gläubiger ein Erfüllungs- 
angebot des Dritten selbst dann annehmen muß, wenn der Schuldner ihm 
widerspricht, und daß er, falls er das Angebot ablehnt, nicht bloß gegenüber 
dem Schuldner, sondern auch gegenüber dem Dritten in Annahmeverzug gerät. 
Der Dritte kann hier also auf der Annahme seines Angebots in eignem In- 
teresse, aus eignem Recht bestehn (268 I). 
6) Außerdem wird insoweit, als der Dritte die Forderung des Gläubigers 
tatsächlich erfüllt, diese Forderung nicht aufgehoben und also der Schuldner 
nicht befreit. Vielmehr geht die Forderung kraft Gesetzes auf den Dritten 
über (268 III). 
Beispiel. Der Grundstückseigentümer A. ist dem B. 10000 Mk. schuldig und hat ihm 
zur Sicherung die erste Hypothek an seinem Grundstück bestellt; eben dieses Grundstück ist 
noch mit einer zweiten Hypothek zugunsten des C. belastet und ist auf achtzehn Jahre dem 
D. pachtweise überlassen. Hier können, sobald B. wegen seiner Forderung das Grundstück 
zur Zwangsversteigerung bringt, sowohl C. wie D. dem B. die Bezahlung der 10000 Mk. 
aufdrängen, auch wenn A. dem widerspricht; denn wenn sie den B. nicht befriedigen, würde 
ja die Zwangsversteigerung ihren Fortgang nehmen und es würde die Gefahr bestehn, 
daß C. bei der Versteigerung mit seiner zweiten Hypothek ganz oder teilweise ausfiele und 
daß D. seinen Pachtbesitz lange vor Ablauf der achtzehn Jahre räumen müßte. Nimmt B. 
die Zahlung C.s an, so geht seine Forderung samt der Hypothek auf C. über, so daß diesem 
fortab außer der zweiten Hypothek auch die erste Hypothek an A.# Grundstück zusteht. 
Eine weitere Besonderheit des zu b genannten Falls ist, daß der Dritte nicht bloß die 
Forderung des Gläubigers erfüllen, sondern sie auch durch Hinterlegung oder Aufrech- 
nung tilgen kann (268 II). 
Eine ähnliche Regel wie die zu §9 sindet sich übrigens auch anderweitig. Siehe 
Konk Ordn. 225 II. 
V. Als Erfüllung gilt nur eine Leistung, die der Forderung nach Inhalt 
und Umfang vollständig entspricht. Daß dies der Fall, muß der Schuldner 
beweisen. Demgemäß genügt es nicht, daß der Schuldner dartut, er habe an 
den Gläubiger irgendeine Leistung gemacht, sondern er muß weiter darlegen,
	        
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