Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 102. Erfüllung. Teilzahlung. Zahlung a conto. 417 
daß diese Leistung mit der Forderung des Gläubigers übereinstimmt. Auch 
dadurch, daß der Gläubiger die Leistung entgegennimmt, wird an dieser 
Regel noch nichts geändert. Nur wenn der Gläubiger die Leistung als „Er- 
füllung“ seiner Forderung angenommen, also ausdrücklich oder stillschweigend 
zu erkennen gegeben hat, daß er durch die Leistung seine Forderung als erfüllt 
erachte, dreht die Beweislast sich um: es ist jetzt Sache des Gläubigers dar- 
zutun, daß die Leistung unvollständig oder mangelhaft ist oder sonst mit seiner 
Forderung nicht übereinstimmt (363).“ 
Beispiele. I. A. sendet dem B. mittels Briefs eine Geldsumme von angeblich 1000 Mk. 
zur Begleichung einer Schuld; B. nimmt den Brief an, behauptet aber nachträglich, daß 
nur 900 Mk. darin gewesen seien. II. C. bezahlt eine Fahrkarte am Schalter mit 
einem Zwanzigmarkstück; der Beamte streicht das Geld ein, ruft aber den C. alsbald 
mit dem Bemerken zurück, das Stück sei unecht, und legt auch tatsächlich ein falsches 
Zwanzigmarkstück als dasjenige vor, das C. angeblich soeben eingezahlt habe. Hier muß zu 
I A. den Inhalt des Geldbriefs beweisen, während zu II die Identität des von C. ge- 
gebenen und des von dem Schalterbeamten vorgezeigten unechten Goldstücks von der Bahn- 
verwaltung bewiesen werden muß. Denn zu I hat B. das ihm zugeschickte Geld nur „zum 
Zweck“ der Erfüllung, zu II hat der Schalterbeamte das ihm gegebene Goldstück „als“ 
Erfüllung angenommen.“ 
VI. Eine Erfüllung braucht der Gläubiger nur anzunehmen, wenn sie seine 
ganze fällige Schuld betrifft (266). Dagegen kann er eine Teilerfüllung zurück- 
weisen; daß die Forderung, um die sich es handelt, teilbar ist, ändert an dieser 
Regel nichts. 
Beispiele. I. A. hat dem B. Waren für 20000 Mk. verkauft; als der Kaufpreis 
fällig wird, will B. nur 19990 Mk. zahlen, indem er 10 Mk. wegen eines angeblichen 
Mindergewichts der Ware kürzt. Hier kann A. wegen dieses Abzuges die ganze Zahlung 
zurückweisen, vorausgesetzt natürlich, daß der Abzug, den B. gemacht hat, ein ungerecht- 
fertigter war. II. C. hat am nämlichen Tage und durch die nämliche Verhandlung dem D. 
für 10000 Mk. Wertpapiere verkauft und 10000 Mk. bar geliehn; D. soll den Kaufpreis 
für die Papiere nach drei Monaten entrichten und auch das Darlehn zur selben Zeit 
zurückzahlen; nach Ablauf der drei Monate bietet D. dem C. nur die Bezahlung der Wert- 
papiere an. Hier darf C. diese Zahlung nicht zurückweisen; denn da der Papierverkauf 
und das Darlehn, wie es scheint, nur äußerlich verbunden waren, sind daraus für C. zwei 
durchaus selbständige Forderungen entsprungen, deren eine durch die von D. angebotene 
Zahlung nicht bloß zu einem Teil, sondern ganz erfüllt wird. 
VII. 1. a) Hat ein Schuldner an seinen Gläubiger eine Mehrheit von 
Leistungen zu bewirken, die sich durch ihren Schuldgrund oder durch die Zeit 
ihrer Fälligkeit unterscheiden, im übrigen aber gleichartig sind, so wird eine 
Leistung, die nicht zur Tilgung der Gesamtschuld ausreicht, verrechnet wie folgt: 
es wird zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden die 
für den Gläubiger minder sichere, unter mehreren gleich sichern Schulden die 
dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen Schulden die ältere, 
d. h. die früher fällige s, und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig 
getilgt (366 Il). 
4) RG. 57 S. 399, 66 S. 282. 
5) Siehe RG. 66 S. 282. 
6) Abw. Planck, Anm. 44 zu § 366 
Cosack, Bürgerl. Recht. 5. Aufl. 27
	        
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