8 102. Erfüllung. Quittung. 419
2. Die Regeln zu 1 haben aber nur subsidiäre Geltung. Sie können näm—
lich nicht bloß dadurch, daß die Parteien etwas andres vereinbaren, aus-
geschlossen werden,“ sondern auch dadurch, daß der Schuldner bei der Leistung
etwas andres einseitig bestimmt. Doch kann der Gläubiger, wenn die ein-
seitige Bestimmung des Schuldners von der Regel zu 1 b abweicht, die Lei-
stung ablehnen (366 I, 367 I.).
Beispiele. I. A. hat am 1. Oktober von B. 1000 Mk. nebst 6% Zinsen auf ein
Jahr, gesichert durch Verpfändung von Wertpapieren, und 2000 Mk. nebst 6 % Zinsen auf
ein Jahr ohne Sicherung, zusammen 3180 Mk. zu fordern. Nun schickt B. an dem ge-
genannten Tage durch seinen Bankier 1000 Mk. an A. mit dem Vermerk „Zahlung a conto der
Schuld des Herrn B.“; am 2. Oktober schreibt er persönlich an A.: „Die 1000 Mk. zahle ich auf
das Kapital meiner durch Pfand gesicherten Schuld.“ Hier braucht A. sich auf diese Mit-
teilung nicht einzulassen, weil sie erst einen Tag nach der Zahlung gemacht ist, sondern kann
B.# Zahlung nach den Regeln zu 1 a und b auf die nicht durch Pfand sicher gestellte Schuld von
2120 Mk. und zwar mit 120 Mk. auf die Zinsen mit 880 Mk. auf das Kapital anrechnen.
II. Derselbe Fall; nur stand in dem Bankierbrief vom 1. Oktober nichts davon, daß die
Geldsendung „a conto einer Schuld des B.“ geschehe, sondern es war nur bemerkt, daß sie
„für Rechnung B.s“ gemacht werde. Hier ist die Zahlung B.s erst durch seinen eignen
Brief vom 2. Oktober zu einer Leistung auf Schuld geworden; die in diesem Brief ange-
ordnete Anrechnung der Zahlung ist also rechtzeitig erfolgt. Und zwar muß A. die Anrechnung in-
soweit gelten lassen, als sie der gesicherten Schuld von 1000 Mk. der ungesicherten Schuld von
2000 Mk. im Widerspruch zu der Regel 1 a den Vorzug gibt. Dagegen kann er sie insoweit
zurückweisen, als sie im Widerspruch zur Regel 1b bei dieser Schuld das Kapital vor den
Zinsen bevorzugt; doch darf er, wenn er dies tut, das ihm geschickte mit der Anrechnungs-
klausel belastete Geld nicht behalten, sondern muß es dem B. wieder zur Verfügung stellen.
VIII. 1. a) Der Gläubiger hat gegen Empfang der Leistung'auf Verlangen
eine schriftliche Quittung zu erteilen; lehnt er dies ab, so kann der Schuldner
die Leistung zurückbehalten. Hat der Schuldner ein rechtliches Interesse daran,
daß die Quittung beglaubigt oder öffentlich beurkundet wird, namentlich im
Hypothekenverkehr, so kann er auch dies verlangen, muß dann aber die Kosten
vorschießen (368, 369 1).
b) Ist über die Forderung ein Schuldschein ausgestellt, so kann der
Schuldner neben der Quittung Rückgabe des Scheins oder, wenn der Gläubiger
behauptet, hierzu außerstande zu sein, an Stelle der Quittung ein öffentlich
beglaubigtes Anerkenntnis, daß die Schuld erloschen sei, fordern (371). Die
Kosten des letzteren Anerkenntnisses muß im Zweifel der Gläubiger tragen.
Der Gläubiger braucht sein Unvermögen zur Rückgabe des Schuldscheins nur zu be-
haupten, nicht aber auch zu beweisen. Vielmehr trifft, wenn der Schuldner die Behauptung
des Gläubigers bestreitet, die Beweislast den Schuldner. Gelingt dem Schuldner die Be-
weisführung, so kann er auf Rückgabe des Schuldscheins bestehn, darf aber nicht etwa die
ihm obliegende Leistung bis zur Rückgabe zurückbehalten. 0
2. a) Die Quittung beweist die Erfüllung. Ihre Beweiskraft kann aber
durch Gegenbeweis gebrochen werden. Und zwar ist hierfür erforderlich und
genügend der Beweis, daß die Erfüllung tatsächlich nicht erfolgt ist.
9) RG. 66 S. 55.
10) Abw. Endemann 1 § 14123; Hedemann, Jahrb. f. Dogm. 48 S. 86.
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