432 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
4. Wenn der Schuldner die ihm obliegende Leistung nur Zug um Zug
gegen eine Gegenleistung des Gläubigers zu bewirken braucht, kommt der
Gläubiger auch dadurch in Verzug, daß er zwar die Leistung des Schuldners
annehmen will, aber seine Gegenleistung versäumt. Für diesen Gegenleistungs-
verzug gelten zunächst die gleichen Voraussetzungen wie für den eigentlichen
Annahmeverzug: der Schuldner muß also zuvörderst der Regel nach die ihm
obliegende Leistung anbieten; außerdem ist erforderlich, daß der Schuldner
die Gegenleistung besonders verlangt. Ist dies beides geschehn, so kommt der
Gläubiger in Verzug, wenn er die Gegenleistung nicht anbietet (298). Und zwar
muß dies Angebot, wie das des Schuldners, ein tatsächliches sein; ein wört-
liches genügt nur, wenn der Schuldner bei der Gegenleistung mitzuwirken hat
oder wenn er im voraus erklärt, die Gegenleistung in der von dem Gläubiger
beabsichtigten Art nicht anzunehmen.
II. 1. Wie die Forderung des Gläubigers durch den Erfüllungsverzug
des Schuldners verschärft und um einen Schadensersatzanspruch erweitert wird,
so wird sie durch seinen eigenen Annahmeverzug abgeschwächt und mit einem
Schadensersatzanspruch des Schuldners belastet.
a) Die Abschwächung der Forderung des Gläubigers besteht in folgendem:
a) Solange der Gläubiger in Annahmeverzug ist, kann er den Schuldner,
auch wenn dieser bisher für jedes Verschulden oder sogar für Zufall einstand,
nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haftbar machen (300 .
8) Wird eine nur der Gattung nach bestimmte Sache geschuldet, so geht
die Gefahr der Sache auf den Gläubiger über, sobald dieser dadurch in Ver-
zug kommt, daß er die angebotene Sache nicht annimmt (300 II). Wird also,
nachdem der Gläubiger in dieser Art in Annahmeverzug geraten ist, die Sache
ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Schuldners von einem Unfall
betroffen, der die Leistung der Sache verhindert, fo braucht nicht allein der
Schuldner diesen Unfall nicht zu vertreten, sondern er wird sogar so behandelt
als habe er die Leistung rechtzeitig bewirkt.
Beispiel. A. hat dem B. ein unverzinsliches Darlehn von 200 Mk. für den 1. April
auf ein Jahr zugesagt; B. soll sich das Geld am 1. April vormittags bei A. abholen, findet
sich aber, durch plötzliche Erkrankung verhindert, bei A. nicht ein, gerät also in Annahme-
verzug; in der Nacht darauf entsteht bei A. ein Brand, bei dem ohne ein Verschulden seiner-
seits das Geld, das er dem B. leihen wollte, verbrennt. I. Erster Fall: A. hatte die 200 Mk.,
die er dem B. geben wollte, aus seinem Geldvorrat noch nicht ausgeschieden, sondern ge-
dachte die Ausscheidung erst vorzunehmen, wenn B. sich zur Abholung einfinden würde.
Hier wird A. durch den Brand von der Pflicht zur Hingabe der 200 Mk. nicht befreit,
sondern muß das Geld trotz des Annahmeverzuges des B. anderweitig beschaffen. II. Zweiter
Fall: A. hatte das Geld bereits am Vormittag des 1. April ausgeschieden, indem er es in
einen Umschlag mit der Adresse B.s legte. Hier wird A. von seiner Verpflichtung zur Hin-
gabe der 200 Mk. durch den Brand befreit; andrerseits braucht aber auch B. nach Ablauf
des Jahrs die 200 Mk. nicht zu erstatten, da er sie ja tatsächlich nicht bekommen hat und
auch, weil ein „Angebot“ des Geldes unterblieben ist, die Gefahr der 200 Mk. nicht trägt.
III. Dritter Fall: A. hatte das Geld nicht nur in der genannten Art für B. ausgeschieden,
sondern hatte dies dem B. auch am Nachmittag des 1. April telephonisch mitgeteilt und ihm
das Geld zur sofortigen Abholung angeboten. Hier wird A. nicht bloß von der Hingabe des