434 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
verspätet zurückzuweisen, so verliert er durch seinen eignen Annahmeverzug unter Um-
ständen das Recht, auf einer nachträglichen Leistung des Schuldners seinerseits zu be-
stehn: der Schuldner wird also unter Umständen infolge des Annahmeverzuges des
Gläubigers von seiner Leistungspflicht gänzlich befreit. Doch tritt diese Be-
freiung nicht gleichmäßig bei allen Verpflichtungen ein. Insbesondre ist, wenn
die Verpflichtung auf die Herausgabe von Sachen geht, folgendermaßen zu
unterscheiden.
a) Ist ein Grundstück herauszugeben, so wird der Schuldner erst dann
frei, wenn er den Besitz des Grundstücks preisgibt: und zwar muß er die
Preisgabe dem Gläubiger zuvor angedroht haben, es sei denn, daß die An-
drohung — etwa weil der Schuldner den Aufenthalt des Gläubigers nicht
erfahren konnte — untunlich war (303).
b) Sind Gelder, Wertpapiere und sonstige Urkunden sowie Kostbarkeiten
herauszugeben, so wird der Schuldner erst dann frei, wenn er die Gegenstände
bei einer öffentlichen Hinterlegungsstelle derart hinterlegt, daß er kein Recht
auf Rücknahme hat (378; s. unten S. 439).
Landesgesetzlich kann die Hinterlegung auch für andre Sachen zugelassen werden (EG.
146). Doch hat wohl kein Staat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht.
c) Sind andre Sachen herauszugeben, so wird der Schuldner erst frei,
wenn er sie durch formellen Selbsthülfeverkauf veräußert und den Erlös
unter Ausschluß des Rücknahmerechts öffentlich hinterlegt (383 I, 378).
a)Der Selbsthülfeverkauf muß regelmäßig mittels öffentlicher Versteigerung
durch einen Gerichtsvollzieher oder einen amtlich bestellten Auktionator erfolgen
(383 I, III). Bloß wenn die Sache einen Markt= oder Börsenpreis hat,
kann der Verkauf auch freihändig geschehn, jedoch nur zum laufenden Preise
und nur durch einen zu solchen Verkäufen öffentlich ermächtigten Handels-
mäkler oder durch einen amtlich bestellten Auktionator (385).
Der Verkauf ist der Regel nach am Leistungsort und nur, wenn hier kein angemessener
Erfolg zu erwarten ist, an einem geeigneten andern Ort vorzunehmen (383 II). Ob Gläubiger
und Schuldner dabei als Käufer auftreten können, ist gesetzlich nicht bestimmt (siehe aber
1239, HGB. 373); doch ist die Frage wohl zu bejahn.
8) Der Selbsthülfeverkauf ist dem Gläubiger zuvor anzudrohn, und sobald
Zeit und Ort des Verkaufs feststeht, ist ihm auch hiervon Anzeige zu machen,
damit er für die Abgabe angemessener Kaufgebote zu sorgen vermag. Wird
die Androhung versäumt, so ist der Verkauf für den Gläubiger unverbind-
lich; ist die Androhung geschehn, aber die Anzeige des Orts und der Zeit
des Verkaufs unterblieben, so ist der Verkauf für den Gläubiger zwar ver-
bindlich, der Schuldner aber schadensersatzpflichtig. Die Androhung und die An-
zeige können unterbleiben, wenn sie untunlich, die Androhung kann außerdem
auch unterbleiben, wenn die Sache dem Verderben ausgesetzt und Gefahr im
Verzuge ist (384).
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3) Sohm, Ztschr. f. Handelsrecht 53 S. 105.