438 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
bietet ihm am Zahltage statt baren Geldes an Zahlungsstatt seine Uhr; B. erklärt, daß er
die Uhr zwar nicht selber brauchen könne, aber verkaufen werde, und nimmt das Angebot
A.s an. Hier ist B.s Forderung sofort am 1. Mai voll getilgt, auch wenn B. die Uhr
erst am 15. Oktober verkauft und nur 60 Mk. dafür erzielt.
Bei der Leistung an Erfüllungsstatt müssen die Beteiligten sich darüber im klaren sein,
daß die vom Schuldner oder für den Schuldner gebotene Leistung nicht Erfüllung, sondern
bloß Erfüllungssurrogat sein soll. Wenn also ein Darlehnsschuldner seine Schuld nicht,
wie er nach dem Gesetz soll, in Gold, sondern in Banknoten bezahlt oder wenn ein Ver-
käufer nicht, wie er nach dem Gesetz muß, eine mangelfreie, sondern eine mit offenbaren
Mängeln behaftete Ware liefert und der Darlehnsgläubiger oder der Käufer diese keines-
wegs „geschuldete“ Leistung sich aus irgendwelchen Gründen gefallen läßt, so ist hierin
eine Leistung an Erfüllungsstatt nicht zu sehn. Denn die Parteien geben und nehmen in
einem solchen Fall die Leistung „als“ Erfüllung und nicht „statt“ Erfüllung.
2. Stellt sich heraus, daß die Ersatzleistung mit einem Mangel behaftet
ist, so muß der Leistende dafür in derselben Art aufkommen wie ein Ver-
käufer (s. 365). Das will besagen: der Gläubiger kann je nach Lage des Falls
eine Minderung des „Preises“ der Leistung beanspruchen oder die Leistung
„wandeln“, d. h. unter Rückgabe der Leistung die Wiederherstellung seiner
alten Forderung verlangen? oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordern
oder endlich darauf bestehn, daß die Ersatzleistung nochmals mangelfrei wieder-
holt wird (440 1, 462, 463, 480). Dagegen ist davon keine Rede, daß seine
alte Forderung um jenes Mangels willen von selbst wieder auflebte.
Beispiel. A. hat dem B. einen Kunstschrank verkauft, bestimmt aber, da ihm auf den
Schrank ein höheres Gebot gemacht wird, den B., statt seiner an Erfüllungsstatt einen alten
Perserteppich anzunehmen; nachträglich wird festgestellt, daß der Teppich, ohne daß dies für
A. oder B. erkennbar war, an erheblichen Mängeln leidet. Hier kann B. den Teppich be-
halten und Preisminderung fordern; er kann aber ebensogut den Teppich zurückgeben und
auf Lieferung des Schranks bestehn; er kann endlich, wenn der Teppich nur der Gattung
nach bestimmt gewesen war, ihn zurückgeben und Lieferung eines andern mangelfreien
Teppichs verlangen.
II. Der Leistung an Erfüllungsstatt nahe steht die Leistung er-
füllungshalber; denn auch sie ist dazu bestimmt, dem Gläubiger für die
geschuldete Leistung einen Ersatz zu gewähren. Sie unterscheidet sich aber von
der Leistung an Erfüllungsstatt dadurch, daß sie nicht selber diesen Ersatz
darstellen, sondern daß der Gläubiger den Ersatz erst nachträglich aus ihr ge-
winnen soll. Demnach tilgt sie die Forderung des Gläubigers nicht sofort,
wenn er sie annimmt, sondern erst dann, wenn es ihm gelingt, sich aus
ihr Befriedigung zu verschaffen. Doch folgt daraus keineswegs, daß er solange,
als er aus der Leistung keine Befriedigung gewonnen hat, sie völlig ignorieren
und seine Forderung geradeso geltend machen dürfte, als sei überhaupt noch
gar nichts geleistet. Vielmehr ist er der Regel nach gehalten, wenigstens den
Versuch zu machen, die Leistung zu seiner Befriedigung zu verwenden, und
darf erst dann, wenn dieser Versuch mißlingt oder sich als aussichtslos heraus-
stellt, auf seine Forderung zurückgreifen.
Beispiel A., der dem B. auf den 1. Mai eine Zahlung von 80 Mk. schuldig ist,
2) Abw. Endemann 1 § 1427.