28 Buch I. Abschnitt 1. Die Rechtsregeln.
6) Hier und da nehmen die Überweisungen des EW.3 auch auf Fragen des öffentlichen Rechts
Bezug, z. B. auf die Verantwortlichkeit des Siaats für die Amtshandlungen seiner Beamten,
auf die Beschränkungen des Grundeigentums im öffentlichen Interesse, auf die Kirchenbau= und
Schulbaulasten (EG. 77, 111, 132). Doch sind sie nach dieser Richtung hin nicht erschöpfend.
Vielmehr ist die Landesgesetzgebung für zahlreiche Fragen des öffentlichen Rechts zuständig,
auch wenn sie ihr vom Reich nicht besonders überwiesen sind, z. B. zur Regelung der
Staatsaussicht über Vereine, zur Festsetzung von Grund= und Erbschaftssteuern, zur An-
ordnung von Sicherungsmaßregeln in Ansehung des Nachlasses verstorbener Beamten usw.
d) Die Überweisungen bilden kein „Reservatrecht“ der einzelnen deutschen Bundes-
staaten, können also reichsgesetzlich nach Belieben zurückgenommen werden. Es wäre dem-
nach denkbar, daß das Reich die mühsamen agrarischen Bestrebungen Preußens in Ansehung
des bäuerlichen Erbrechts plötzlich durchkreuzte, indem es das bäuerliche Erbrecht der Landes-
gesetzgebung entzöge.
Zc) Ahnlich ist die Zuständigkeit der autonomen Statuten bemessen: sie gilt
nur soweit, als eine Materie durch ein Reichsgesetz oder innerhalb der Zu-
ständigkeit der Landesgesetzgebung durch ein Landesgesetz ausdrücklich der statu-
tarischen Gesetzgebung zugewiesen ist.
Beispiele. I. Auf reichsgesetzlicher Zuweisung beruht die Zuständigkeit der Kommunal-
verbände, zu bestimmen, daß der Lohn eines minderjährigen gewerblichen Arbeiters nicht an
ihn, sondern an seine Eltern oder seinen Vormund auszuzahlen ist (RGwordn. 119).
II. Auf landesgesetzlicher Zuweisung beruht die Zuftändigkeit der hochadeligen Familien
zum Erlaß von Hausgesetzen.
3. à) Unter den das bürgerliche Recht betreffenden Reichsgesetzen ist eine
ganze Anzahl älter als das bürgerliche Gesetzbuch. Diese älteren Reichsgesetze sind
auch gegenwärtig noch in Geltung (EG. 32). Denn das bürgerliche Gesetzbuch hat
sich mit nichten die Aufgabe gestellt, das gesamte bürgerliche Recht erschöpfend
zu kodifizieren. Wenn es also irgendeine durch ein älteres Reichsgesetz bereits
geregelte Frage schweigend übergeht, bedeutet dies nicht, daß es jene Gesetze
aufhebt, sondern umgekehrt, daß es an ihren Bestimmungen nichts ändern will.
Anders natürlich,
a) wenn es eine Anderung der älteren Reichsgesetze ausdrücklich verfügt,
6) wenn die Bestimmungen der älteren Reichsgesetze mit irgendwelchen
Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs derart in Widerspruch stehn, daß sie
unmöglich nebeneinander fortgelten können.“
Beispiele. I. Unverändert in Geltung geblieben ist das RGes. v. 8. Juni 71 betreffend
die Inhaberpapiere mit Prämien. II. Nur wenig verändert sind die bürgerlichrechtlichen
Bestimmungen des Reichsmilitärgesetzes v. 2. Mai 74, nämlich nur soweit, als EG. 45 eine
kleine Vorschrift dieses Gesetzes über die Abtretung von Gehalts= und Pensionsansprüchen
der Reichsmilitärpersonen beseitigt. Insbesondre sind die Bestimmungen des Reichsmilitär-
gesetzes über die Militärtestamente unverändert in Kraft geblieben, obschon es sehr sonderbar
ist, daß auf diese Art zu den fünf im BGB. selbst ausführlich geregelten Testamentsformen
noch eine sechste anderswo normierte Testamentsform hinzutritt. III. Eingreifend abgeändert
ist das RGes. über die Beurkundung des Personenstandes v. 6. Febr 75 durch EG. 46. IV. Nicht
unwesentlich abgeändert ist ferner das ReichsstrafgesetzoWuch durch EG. 34. Ja der § 34 dieses
Gesetzbuchs hat sogar eine weitere Anderung erlitten, die im E., so auffällig dies ist, nicht
ausdrücklich angeordnet ist. Es ist nämlich in § 34 des Strafgesetzbuchs bestimmt, daß die
Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte die k Unfähigkeit-, während der im Urteil an-
6) Siehe unten § 124.