Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

442 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen. 
muß, wesentlich verschärft, wenn es sich um eine Aufrechnung gegen Forde- 
rungen des Reichsfiskus handelt: hier genügt es nämlich nicht, daß die Aktiv- 
forderung gegen den Reichsfiskus als Schuldner geht, sondern es ist außerdem 
nötig, daß die Aktiv= und Passivforderung bei der nämlichen Kasse zu be- 
richtigen ist, obschon doch diese Kassen keineswegs selbständige juristische Per- 
sonen darstellen. Die gleiche Regel gilt zugunsten jedes deutschen Landesfiskus 
sowie der deutschen Gemeinden und sonstigen Kommunalverbände (395). 
d) Uber den Fall, daß die Aktiv= oder die Passivforderung mehreren Gläubigern zu- 
gleich zusteht, siehe unten §§ 118 f. sowie im Gemeinschaftsrecht. 
2. a) Beide Forderungen müssen ihrem Gegenstande nach gleichartig sein 
(387). Deshalb ist die Aufrechnung praktisch am wichtigsten bei Forderungen, 
die auf die Leistung von Geld oder Wertpapieren gehn. 
b) Die Aktivforderung muß fällig, d. h. es muß der Zeitpunkt gekommen 
sein, in dem der Schuldner sie zu erfüllen verpflichtet ist. Bei der Passiv- 
forderung genügt es dagegen, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, in dem der 
Schuldner sie zu erfüllen berechtigt ist (387). 
) Daß die beiden Forderungen an verschiedenen Orten zu erfüllen sind, 
steht der Aufrechnung nicht entgegen. Doch muß der Aktivgläubiger dem 
Passivgläubiger den Schaden ersetzen, den dieser dadurch erleidet, daß er infolge 
der Aufrechnung die ihm gebührende Leistung nicht an dem bestimmten Ort 
erhält oder die ihm obliegende Leistung nicht an dem bestimmten Ort bewirken 
kann (391 I). 
Beispiel. A. hat in Breslau im März 09 dem B. ebenda 6000 Mk. dreiprozentige 
Konsols und 40000 Mk. bar, ohne Kündigung rückzahlbar am 1. Oktober 09, geliehen; am 
1. August 09 ist C., ein gemeinsamer Verwandter von A. und B., gestorben und hat den 
A. zu seinem alleinigen Erben berusen, während er zugunsten B.# das Folgende bestimmt 
hat: „meinem Vetter B. vermache ich 10000 Mk., zahlbar spätestens sechs Monate nach 
meinem Tode bei der Deutschen Bank in Berlin“. Hier ist eine Aufrechnung zwischen A. 
und B. möglich; denn A. hat gegen B. aus dem Darlehn, B. hat gegen A. als Erben C. 
aus dem Vermächtnis eine Forderung. Doch sind beide Forderungen nur so weit aufrechenbar, 
als sie auf Geld gehn: die Forderung A.s auf Rückgewähr von 6000 Mk. Konsols scheidet 
also aus. Auch beginnt das Aufrechnungsrecht für A. erst am 1. Oktober 09, für B. sogar 
erst sechs Monate nach dem Tode C.#, also am 1. Febr. 10. Macht B. von seinem Auf- 
rechnungsrecht Gebrauch, so muß er dem A. dafür Schadensersatz leisten, daß dieser sein Bar- 
darlehn nicht in Breslau, sondern gewissermaßen in Berlin zurückerhält; er muß ihm also 
das Porto für die Sendung der 1000 Mk. von Berlin nach Breslau vergüten. 
Ausnahme: ist bei einer Forderung vereinbart, daß sie zu einer bestimmten Zeit an 
einem bestimmten Ort erfüllt werden soll, so ist im Zweifel anzunehmen, daß wider sie die 
Aufrechnung mit einer Forderung, für die ein andrer Leistungsort besteht, ausgeschlossen 
sein soll (391 II). — Beispiel. A. in Bremen hat sich am 1. Mai von B. ebenda auf den 
15. Mai eine Zahlung von 1000 Mk. bei dem Bankhause von C. in Bremerhaven versprechen 
lassen; am 2. Mai verkauft und übergibt B. dem A. Wertpapiere für 1000 Mk. unter der 
Abrede, daß A. den Kaufpreis binnen einer Woche an ihn zahle; A. hat aber die Zahlung 
bis zum 15. Mai nicht bewirkt. Hier kann zwar A. seine Forderung gegen die B.8, nicht 
aber kann auch B. seine Forderung gegen die A.s aufrechnen. 
Ortmann bezieht die vorstehende Ausnahme nur auf Fixgeschäfte.“ Dafür dürfte 
wenig sprechen. 
3) Ortmann, Anm. 2 zu § 391.
	        
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