8 111. Aufrechnung. 443
3. a) Die Aktivforderung muß rechtsgültig sein, und es darf ihr auch
eine Einrede nicht gegenüberstehn.“ Doch gilt eine Ausnahme für die Ver—
jährung: die Aufrechnung mit einer Forderung, die zu der Zeit, da sie tat-
sächlich zur Aufrechnung gegen die andre Forderung verwendet wird, verjährt
war, ist statthaft, wenn die Forderung schon in einem früheren Zeitpunkt zum
gleichen Zweck hätte verwendet werden können und damals noch nicht verjährt
war (390).
b) Auch die Passivforderung muß gültig sein.? Dagegen schadet es nichts,
wenn ihr eine Einrede entgegensteht: denn ob diese Einrede geltend zu machen
ist, steht ja im Belieben des Aktivgläubigers; das Vorhandensein der Einrede
kann ihn also nicht daran hindern, seine eigne Forderung auf die Passiv-
forderung aufzurechnen.
Beispiele. I. A. ist dem B. aus einem Darlehn 1000 Mk. schuldig: darauf hat aber
B. an A. 1000 Mk. im Spiel verloren. Hier kann weder A. die Spiel= gegen die Dar-
lehns= noch B. die Darlehns= gegen die Spielforderung aufrechnen. II. C. hat seinen Vater
D. beerbt; dessen Nachlaß ist aber überschuldet und der Aktivbestand so gering, daß er nicht
einmal die Konkurskosten deckt; C. kann also, wie wir im Erbrecht sehn werden, die Be-
zahlung der Nachlaßschulden durch Einrede verweigern (1990); zu den Nachlaßgläubigern
gehört auch E. mit einer Forderung von 1000 Mk.; ebendieser E. ist dem C. aus einem
Darlehn 1000 Mék. schuldig. 1. Erster Fall: C. macht seine Darlehnsforderung gegen E.
geltend; E. rechnet dagegen seine Nachlaßforderung auf. Hier kann C. die Aufrechnung
dadurch verhindern, daß er gegen die Nachlaßforderung die vorgedachte Einrede erhebt.
2. Zweiter Fall: E. macht seine Nachlaßforderung gegen C. geltend; C. macht wissentlich
oder unwissentlich von jener Einrede keinen Gebrauch, sondern rechnet gegen E.s Anspruch
seine Darlehnssorderung auf. Hier muß E. sich diese Aufrechnung gefallen lassen. III. F.
ist dem G., G. ist dem F. 2000 Mk. schuldig; die Forderung F.#s war schon 06 fällig und
ist Ende 08 verjährt; die Forderung G.s war in zwei gleichen Raten am 1. April 08 und
1. April 09 rückzahlbar, nicht später, aber auch nicht früher; im Sommer 09 klagt G. gegen
F. auf Zahlung der ihm gebührenden 2000 Mk., und F. rechnet mit seiner verjährten
Gegenforderung auf. Hier ist F.s Aufrechnung nur gegenüber der ersten 08 fällig ge-
wordenen Rate von G.# Forderung zulässig.
4. Gleichgültig ist, ob die Forderungen, die gegeneinander aufgerechnet
werden sollen, miteinander in rechtlichem Zusammenhang stehn; ebensowenig
kommt etwas darauf an, ob sie „liquid“, d. h. unstreitig oder sofort zu be-
weisen sind. Nur für die Behandlung der Aufrechnung im Prozeß ist sowohl
der rechtliche Zusammenhang wie die Liquidität der Forderungen von Belang
(Z3P. 145 III, 302).
5. Gleichgültig ist ferner, ob die Aktivforderung ebensogroß wie die
Passivforderung oder größer oder kleiner ist; doch wirkt die Aufrechnung nur
soweit, als beide Forderungen sich decken. Die Folge ist, daß die Aufrechnung
vor der Erfüllung eigentümlich bevorzugt wird: wenn die Aktivforderung
kleiner als die Passivforderung ist, muß der Passivgläubiger sich eine Teil-
aufrechnung gefallen lassen, während er, wie wir wissen, eine Teilerfüllung
zurückzuweisen befugt ist.
4) Siehe aber oben S. 330 b.
5) Abw. Leonhard, Arch. f. BR. 21 S. 171. 5a) Siber S. 93.