456 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
II. 1. Die Abtretung einer Forderung geschieht stets durch Vertrag. Und
zwar müssen an dem Vertragsschluß als Parteien regelmäßig der alte und der
neue Gläubiger, die man in diesem Fall als Zedent und Zessionar zu be-
zeichnen pflegt, mitwirken. Dagegen ist die Teilnahme des Schuldners nur in
den oben zu 1, 2 a genannten Ausnahmefällen erforderlich; ja es ist nicht
einmal eine Anzeige der Abtretung an den Schuldner nötig: so wichtig eine
solche Anzeige, wie alsbald zu zeigen, für den Grad der Wirksamkeit der Ab-
tretung ist, so ist sie doch für die Gültigkeit der Abtretung nicht schlechthin ge-
boten. Keine Bedeutung für die Abtretung hat es, wenn über die Forderung
ein Schuldschein ausgestellt ist; es ist also für die Gültigkeit der Abtretung die
Aushändigung des Scheins an den neuen Gläubiger nicht wesentlich, und auch
ein Vermerk der Abtretung auf dem Schein ist durchaus überflüssig.
Siehe die Beispiele zu III.
2. Von der Abtretung der Forderung zu unterscheiden ist ein Vertrag,
durch den der alte Gläubiger sich persönlich zur Abtretung der Forderung an
den neuen Gläubiger verpflichtet (pactum de cedendo). Ein derartiger Ver-
trag überträgt die Forderung auf den neuen Gläubiger nicht, sondern beläßt
sie so lange beim alten Gläubiger, bis ihm ein zweiter Vertrag nachfolgt, der
die Abtretung selbst enthält.
Beispiele. I. 1. A. hat sein Landgut samt einer in seinem Landwirtschaftsbetriebe
entstandenen Forderung gegen B. am 16. Juni an C. verkauft; die Auflassung und Uber-
gabe des Guts soll am 1. Jult stattfinden; tatsächlich findet sie, wegen Erkrankung C.8, erst
am 15. Juli statt; am 1. August zeigt A. dem B. an, daß er seine Forderung dem C. ab-
getreten habe. Hier ist die Forderung des A. gegen B. nicht schon am 16. Juni auf C.
übergegangen, weil A. sich an diesem Tage zur Ubertragung der Forderung auf C. nur
persönlich verpflichtet hat. Wohl aber ist der Ubergang am 15. Juli geschehn; denn indem
A. an diesem Tage das verkaufte Gut an C. übergab, hat er stillschweigend auch die mit-
verkaufte Forderung dem C. abgetreten. 2. Derselbe Fall; nur hat A. bei der Ubergabe
des Guts ausdrücklich erklärt, daß er sich die Abtretung der Forderung gegen B. noch über-
legen wolle; C. hat ihn darauf am 1. Oktober auf Abtretung der Forderung verklagt; am
16. Dezember ist A. dem Klagantrage gemäß verurteilt; am 1. Februar des folgenden Jahrs
ist dies Urteil rechtskräftig geworden. Hier ist die Forderung A.s gegen B. am 1. Februar
auf C. übergegangen; denn ein Urteil, das den alten Gläubiger zur Abtretung verurteilt,
steht, sobald es rechtskräftig geworden, der Abtretung gleich (ZPO. 894). II. D. hat am
1. Februar seine Forderung gegen E. dem F., „mit Wirkung vom 1. April ab“, verkauft.
Hier geht die Forderung am 1. April auf C. über, ohne daß A. die Abtretung an diesem Tage
besonders erklären müßte. Denn es ist anzunehmen, daß in dem „Verkauf“ der Forderung
mit Wirkung vom 1. April ab stillschweigend auch die „Abtretung“ der Forderung, auf-
schiebend befristet bis zum 1. April, mitenthalten ist.
III. 1. Im Verhältnis zwischen dem alten und dem neuen Gläubiger ist
der Abtretungsvertrag alsbald mit dem Abschluß in vollem Umfang wirksam:
die abgetretene Forderung ist dem alten Gläubiger sofort verloren, dem neuen
Gläubiger sofort gewonnen, es sei denn, daß der Abtretungsvertrag mit einer
aufschiebenden Bedingung oder Befristung abgeschlossen ist.
Beispiel. Am 1. Mai 1909 hat A. eine ihm gegen B. zustehende erst nach einem
Jahr fällige unverzinsliche Forderung von 1000 Mk. dem C. gegen eine Barzahlung von
900 Mk. mündlich abgetreten und dabei mit C. vereinbart, die Abtretung solle zunächst vor