Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

460 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen. 
konnte, die Forderung beruhe auf einem Scheingeschäft ½ und sei deshalb nichtig, 
so darf er diesen Einwand an und für sich auch gegen den neuen Gläubiger 
richten. Hat er jedoch die Forderung durch eine schriftliche Urkunde begründet 
oder anerkannt und hat der alte Gläubiger diese Urkunde vor oder bei der 
Abtretung dem neuen Gläubiger vorgelegt, so ist der Einwand des Schein- 
geschäfts gegen letzteren ausgeschlossen, es sei denn daß der neue Gläubiger 
bei der Abtretung die Sachlage gekannt hat oder hätte kennen müssen (405). Auf 
den Einwand, daß die Forderung wegen Irrtums, Betruges, Zwanges usw. an- 
fechtbar oder angefochten oder daß der in der Urkunde angegebene Inhalt der 
Forderung nachträglich abgeändert worden sei, ist diese Regel nicht ausgedehnt. 
Beispiel. A. erwirbt von den Erben des B. eine Forderung des B. gegen C., die von 
C. durch folgenden dem A. mitübergebenen Schuldschein verbrieft ist: „ich bekenne, von B. 
5000 Mk. Darlehn, zu 6% verzinslich, empfangen zu haben, und verspreche pünktliche Rück- 
zahlung“; nun wendet C. ein, er habe dem B. seinerzeit jenen Schuldschein gebracht, B. habe 
ihn auch an sich genommen, aber nur eine Darlehnssumme von 4000 Mk. ausbezahlt; 
mündlich habe B. mit ihm Rückzahlung des Darlehns nach 10 Jahren ausgemacht; später 
habe er 1000 Mk. an B. abbezahlt; demnächst habe B. die Zinsen auf 3% ermäßigt und 
1000 Mk. der Darlehnssumme ganz erlassen. Hier muß A. sich alle diese Einwendungen 
gefallen lassen außer der einen, daß C. nicht, wie er urkundlich anerkannt, 5000 Mk. als 
Darlehn empfangen habe; denn letztere Einwendung läuft darauf hinaus, daß der Schuld- 
schein die Höhe der Darlehnssumme nur zum Schein auf 5000 Mk. angegeben habe. So- 
nach hat A. von C. 3000 Mk. nebst 3% Zinsen, rückzahlbar nach Ablauf jener 10 Jahre, 
zu verlangen. 
Ebenso wie der Einwand der Simulation ist noch der weitere Einwand beschränkt, der 
Schuldner habe mit dem alten Gläubiger die Abtretung vertragsmäßig ausgeschlossen: war 
diese Vereinbarung in der Urkunde nicht erwähnt, so wirkt sie gegen den neuen Gläubiger 
nur, wenn er sie bei der Abtretung gekannt hat oder hätte kennen müssen (405). 
b) Wird hiernach die Verteidigung des Schuldners gegen den neuen 
Gläubiger in gewisser Richtung beschränkt, so wird sie in andrer Richtung 
wieder erweitert: der Schuldner kann nämlich auch solche Einwendungen gegen 
den neuen Gläubiger vorbringen, die gegen den alten Gläubiger erst nach der 
Abtretung, also zu einer Zeit begründet sind, da dieser gar nicht mehr Gläu- 
biger war, vorausgesetzt, daß der Schuldner zu dieser Zeit die Abtretung noch 
nicht gekannt hat. Das gilt namentlich, wenn der Schuldner nach der Ab- 
tretung seine Schuld zu Händen des alten Gläubigers durch Erfüllung oder 
Leistung an Erfüllungsstatt getilgt hat, wenn der alte Gläubiger nach der 
Abtretung die Forderung erlassen oder gestundet hat usw. (407 1). Die Ab- 
tretung soll eben zum Nachteil des Schuldners erst dann wirksam werden, 
wenn der Schuldner sie kennt. 
I) Daraus ergibt sich insbesondre für das Aufrechnungsrecht des Schuldners 
folgende Regel: der Schuldner kann mit einer Gegenforderung, die ihm gegen 
den alten Gläubiger zusteht, auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, 
es sei denn, daß er entweder die Forderung erst erworben hat, als er die 
Abtretung bereits kannte, oder daß er sie zwar schon vorher erworben hatte, 
11) Siehe auch RG. 60 S. 23.
	        
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