8 114. Abtretung von Forderungen. Einwendungen des Schuldners. 461
die Forderung aber später als die abgetretene Forderung und erst, nachdem er
die Abtretung bereits erfahren hatte, fällig geworden ist (406).
Beispiel. A. hat eine Forderung wider B., die am 1. Juli 1902 fällig wird, am
1. Juni 1901 an C. abgetreten, und B. hat die Abtretung am 1. August 1901 erfahren;
nun hat B. vier Gegenforderungen wider A.; die erste und zweite hat er 1900, die dritte
im Juli, die vierte im September 1901 erworben; die erste ist 1900, die dritte und vierte
im Januar 1902, die zweite im September 1902 fällig. Hier kann B. gegen C. nur mit
der ersten und dritten Forderung aufrechnen.
4) Auf ein Urteil, das in einem Prozeß zwischen dem alten Gläubiger und dem
Schuldner ergeht, kann der Schuldner sich auch gegenüber dem neuen Gläubiger berufen,
sofern der Prozeß zu einer Zeit anhängig wurde, zu der die Abtretung der Forderung noch
nicht geschehn oder doch dem Schuldner noch nicht bekannt geworden war (407 ID.
4. Ist die Abtretung erfolgt, so kann die Forderung nunmehr neue Vor-
züge oder neue Mängel bekommen. Insbesondre kann der Schuldner fortab
auch mit Gegenforderungen aufrechnen, die ihm gegen den neuen Gläubiger
zustehn.
V. Hat der Gläubiger dem Schuldner angezeigt, daß er die Forderung
einem andern abgetreten habe, so muß er die angezeigte Abtretung dem
Schuldner gegenüber gegen sich gelten lassen, auch wenn sie in Wahrheit nicht
erfolgt oder nicht wirksam ist, und zwar so lange, bis er die Anzeige unter
Zustimmung des angeblichen neuen Gläubigers zurücknimmt; der Anzeige
steht es gleich, wenn der Gläubiger eine Urkunde darüber ausstellt, daß er
die Forderung einem andern abgetreten hat oder abtritt, und wenn er diese
Urkunde dem andern aushändigt und dieser sie dem Schuldner vorlegt (409).
1. Die Abtretungsanzeige ist der früher besprochenen Vollmachtsanzeige
(oben S. 279) nahe verwandt. Sie ist also kein Rechtsgeschäft, muß aber
doch nach Analogie der Rechtsgeschäfte behandelt werden.
2. à) Die Abtretungsanzeige wirkt nur gegenüber dem Schuldner, nicht
gegenüber dritten Personen.
b) Sie wirkt gegenüber dem Schuldner nur zu dessen Gunsten, nicht zu
dessen Lasten.
I) Sie wirkt zugunsten des Schuldners auch dann, wenn dieser weiß, daß
die Abtretung in Wahrheit nicht erfolgt oder daß sie ungültig ist.
Beispiele. I. A., dem eine fällige Forderung gegen B. zusteht, hat dem B. angezeigt,
daß er diese Forderung an C. abgetreten habe; im Vertraun hierauf zahlt der gutgläubige
B. die Schuldsumme sofort an C. aus; nun stellt sich aber heraus, daß die Abtretung in
Wahrheit gar nicht oder doch nicht rechtsgültig erfolgt ist, und es fragt sich, ob B. von seiner
Schuld gegenüber A. durch die Zahlung an C. befreit ist. 1. Erster Fall: die Abtretung war un-
gültig, weil A., als er sie vornahm und dem B. anzeigte, noch minderjährig war und ohne
die erforderliche Zustimmung seines Vormundes gehandelt hat. Hier ist jene Frage zu ver-
neinen: denn hier ist ja nicht bloß die Abtretung selbst, sondern auch die Abtretungsanzeige
ungültig. B. muß also an den Vormund A.s noch einmal zahlen. 2. Zweiter Fall: die
Abtretung war ungültig, weil C. sie nur mit einer Beschränkung angenommen hat, auf die
A. nicht eingegangen ist. Hier ist jene Frage zu bejahen: denn hier ist nur die Abtretung
selbst ungültig, die Abtretungsanzeige dagegen gültig. B. braucht also seine Zahlung nicht
zu wiederholen. II. Derselbe Fall wie zu I, 2; nur war die Forderung A.8s, gleich nachdem
die Abtretungsanzeige bei B. eingegangen und noch ehe B. seine Zahlung an C. geleistet