Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 118. Teilgläubigerschaft und Teilverpflichtung. 469 
schuldeten Leistung einfordern darf und jeder Schuldner nur einen Teil der 
insgesamt geschuldeten Leistung zu bewirken braucht. 
II. Daß eine formell einheitliche Forderung in Teilforderungen zerlegt 
wird, setzt voraus, daß die Forderung an sich teilbar ist, d. h. auf eine teil- 
bare Leistung (oben S. 369) geht. Bei solchen teilbaren Forderungen ist 
aber, wenn sie mehreren Gläubigern zustehn oder gegen eine Mehrheit von 
Schuldnern gerichtet sind, die Zerlegung in Teilforderungen nicht bloß zu- 
lässig, sondern bildet sogar die Regel, d. h. die Zerlegung findet überall 
statt, wo nicht durch Gesetz oder Rechtsgeschäft ausnahmsweise vorgeschrieben 
ist, daß die Forderung ungeteilt bleiben soll (420). Doch sind die Ausnahmen, 
die das Gesetz von dieser Regel macht, so häufig und so wichtig, daß sie 
praktisch eine weit größere Rolle spielen als die Regel. Von einigen dieser 
Ausnahmen wird schon im nächstfolgenden Paragraphen die Rede sein. 
III. 1. Wenn eine formell einheitliche Forderung materiell in Teilforde- 
rungen zerlegt wird, verliert ihre formale Einheit doch nicht alle rechtliche 
Bedeutung. Vielmehr werden in einem Prozeß um die Forderung alle Gläu- 
biger und alle Schuldner, soweit sie an dem Prozeß teilnehmen, als Streit- 
genossen angesehn (ZPO. 59). Wenn ferner bei einem gegenseitigen Vertrage 
eine der Leistungen an mehrere Teilgläubiger zu bewirken ist, kann die Leistung 
gegenüber sämtlichen Teilgläubigern verweigert werden, wenn auch nur einer 
von ihnen mit dem ihm obliegenden Teil der Gegenleistung im Rückstande ist 
(320 1 Satz 2). 
2. Im übrigen sind aber die Teilforderungen völlig selbständiger Art. 
Jeder Teilgläubiger kann also seine Forderung allein geltend machen, ohne 
daß den andern Gläubigern irgendein hemmender oder fördernder Einfluß 
darauf zustände; hervorzuheben ist, daß, wenn ein Teilgläubiger die Annahme 
der ihm angebotenen Teilleistung ablehnt, nur er in Annahmeverzug kommt, 
nicht auch die Mitgläubiger, ferner, daß jeder Teilgläubiger dem Schuldner 
die Aufrechnung mit solchen Gegenforderungen gestatten muß, die dem Schuldner 
gerade gegen ihn zustehn, usw. Ebenso ist jeder Teilschuldner nur für die 
ihm selber obliegende Teilleistung haftbar; es ist also — vorbehaltlich von 
Ausnahmefällen — keine Rede davon, daß, wenn einer der Teilschuldner zu 
seiner Teilleistung außerstande ist, die andern Schuldner ergänzend für 
seinen Anteil aufkommen müßten. 
IV. Die Anteile der einzelnen Gläubiger und Schuldner sind im Zweifel 
gleich groß (420). 
2. Ungeteilte Mitglänbigerschaft und ungeteilte Mitverpflichtung. 
. 119. 
I. Die ungeteilte Mitgläubigerschaft bedeutet, daß eine Forde- 
rung mehreren Gläubigern ganz — also ohne in Teilforderungen zugunsten jedes
	        
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