Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

474 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen. 
auf dessen individuelles Interesse bezog, den Anspruch doch zugleich in gewisse 
Schranken zu bannen gesucht. So hat das bisherige gemeine Recht bestimmt, 
daß, wenn der unmittelbare Schaden, auf den ein Ersatzanspruch sich bezieht, einen 
festen Geldwert hat, der Anspruch durch Einrechnung des entgangenen Gewinns 
oder sonstigen mittelbaren Schadens höchstens auf das Doppelte jenes Werts 
gesteigert werden dürfe; das preußische Landrecht hat angeordnet, daß jemand, 
der nur wegen eines geringen Versehens Schadensersatz zu leisten habe, über- 
haupt bloß den unmittelbaren Schaden ersetzen müsse; das französische Recht 
endlich hat den Schadensersatzanspruch außer im Fall der Arglist auf den 
Schaden beschränkt, dessen Entstehung der Schuldner voraussehen konnte, und 
hat auch einen Anspruch auf Ersatz mittelbaren Schadens nur ausnahmsweise 
zugelassen.? Erst das ältere Handelsgesetzbuch und das sächsische Gesetzbuch 
haben das Wagestück versucht, den Anspruch auf die Vergütung des Interesses 
ins Grenzenlose auszudehnen. 1½ 
2. Nach dem preußischen Landrecht mußte ein Schuldner, der um einer 
vorsätzlich begangenen Rechtsverletzung willen schadensersatzpflichtig war, nicht 
bloß das Vermögens-, sondern auch das Affektionsinteresse des Geschädigten 
vergüten. Auf einem ähnlichen Standpunkt stand das französische Recht.11 
VII. Nach bisherigem preußischen Recht erwarb aus Verträgen, die zu- 
gunsten eines Dritten abgeschlossen wurden, der Dritte ein selbständiges eignes 
Recht erst dadurch, daß er dem Vertrage beitrat, und dieser Beitritt war nur 
zulässig, wenn beide Vertragsparteien damit einverstanden waren; bloß bei 
Altenteilsverträgen und bei der Lebensversicherung auf den Todesfall ließ 
die Praxis eine Ausnahme zu.!? Auf dem nämlichen Standpunkt stand 
das bisherige französische und sächsische Recht. 18 Dagegen hielt die 
herrschende Meinung für das bisherige gemeine Recht eine Beitrittserklärung 
des Driten nicht bloß bei gewissen Vertragsarten, sondern ganz allgemein 
für unnötig.14 
VIII. 1. a) Das mittelalterliche Recht sah jede Zinsstipulation, mochte 
sie auch einen sehr mäßigen Zinssatz betreffen, als strafbaren Zinswucher an 
und erklärte sie demnach — vorbehaltlich einiger Ausnahmen zugunsten jüdischer 
oder ausländischer Wucherer — für ungültig. 1 
b) Seit der Rezeptionszeit ist dies allgemeine Zinsverbot verschwunden 
und an seine Stelle die Bestimmung eines Zinsmaximums — 5 oder 6% — 
9) Windscheid § 258°9; pr. LR. I, 6 § 15; c. c. 1150, 1151. 
10) Alteres HGB. 283; sächs. GB. 124, 125. 
11) Pr. LR. I, 6 §§ 87, 96, 97; Crome 2 § 141 20. 
12) Pr. LR. I, 5 § 75; Eccius 2 § 14611; Ehrenberg, Versicherungsrecht (93) 1 S. 178. 
13) C. c. 1121; sächs. GB. 854. 
14) Windscheid § 316 ½3, 15. 
15) M. Neumann, Gesch. des Wuchers in Deutschl. (65); W. Endemann, Studien in 
der romanisch-kanonistischen Wirtschafts= und Rechtslehre 1 (74); Funk, Gesch. d. kirchlichen 
Zinsverbots (76); Amiet, franz. u. lombardische Geldwucherer (77).
	        
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