8 120. Bisheriges Recht. Kollisionsnormen. 477
gefaßt: das Gegenüberstehen zweier aufrechenbarer Forderungen bewirkte also
deren gegenseitigen Ausgleich von Rechtswegen.20
XII. Nach bisherigem gemeinen Recht wurde die Abtretung einer Forderung
dem Schuldner gegenüber erst dann vollwirksam, wenn sie ihm vom neuen
Gläubiger angezeigt war; die Anzeige des alten Gläubigers genügte zu diesem
Zweck nicht.
XIII. Eine Schuldübernahme durch Vertrag zwischen dem alten und
dem neuen Schuldner war dem bisherigen Recht nicht bekannt. Vielmehr
war dazu ein Vertrag zwischen dem neuen Schuldner und dem Gläubiger er-
forderlich.1
XIV. Das bisherige gemeine, sächsische und französische Recht bestimmte,
daß Mitschuldner, deren Verpflichtung auf einem gemeinsam ahbgeschlossenen
Vertrage beruhte, im Zweifel nicht als Gesamt-, sondern als Teilschuldner
haftbar sein sollten. Dagegen entschied sich das preußische Landrecht und mit
Bezug auf Handelsgeschäfte auch das ältere Handelsgesetzbuch im Zweifel für
Gesamtschuldnerschaft.,?
Zusatz zu 88 80 f.
I. Kollisionsnormen.
1. Als allgemeine Kollisionsnormen sind, da die Gesetze schweigen und auch eine sichere
gewohnheitsrechtliche Norm nicht vorhanden ist, aus dem früher entwickelten „Prinzip des
internationalen Privatrechts“ die folgenden Regeln abzuleiten.
a) Die Hauptregel ist, daß auf eine Forderung die Gesetze des Rechtsgebiets anzuwenden
sind, in dem die Forderung zu erfüllen ist (Statut des Erfüllungsorts); denn in der
übergroßen Mehrzahl der Fälle hat der Staat, in dessen Gebiet der Erfüllungsort liegt, das
relativ größte Interesse daran, den Bestand und die Wirkung der Forderung nach eignem
Ermessen zu normieren. Beispiel: zwei in Barcelona wohnende Engländer A. und B. reisen
zusammen nach München; während der Fahrt durch Frankreich vereinbaren sie, daß A. sofort
nach Petersburg weiterfahren und B. bis zur Rückkehr des A. nach Berlin dessen wertvolles
Gepäck in Verwahrung nehmen solle; hier kommt die Anwendung des spanischen, des eng-
lischen, des französischen, des deutschen und des russischen Rechts in Frage; den Vorzug ver-
dient die Anwendung des deutschen Rechts.
b) Bei der Regel zu a muß es grundsätzlich auch dann verbleiben, wenn es sich um
Forderungen aus gegenseitigen Verträgen handelt und der Erfüllungsort der beiderseitigen
Forderungen in verschiedenen Rechtsgebieten liegt: es kommt also auf jede der Forderungen
ein andres Recht zur Anwendung; führt das Ineinanderspielen der verschiedenen Rechte
zu einem unlöslichen Widerspruch, so ist der Vertrag unwirksam. Beispiel: der Osterreicher
A. wohnt in Troppau, der Preuße B. in Ratibor; auf einer Reise treffen beide sich in Mai-
land und vereinbaren dort den Tausch ihrer beiden Wohnhäuser; hier kommt auf A.## Ver-
tragspflicht österreichisches, auf B.s Vertragspflicht deutsches Recht zur Anwendung.
Jc) Doch erleidet die Hauptregel zu a einschließlich der Zusatzregel zu b erhebliche Aus-
nahmen bei gewissen Forderungstypen: für sie ist entweder entgegen der Hauptregel zu a das
29) Windscheid 2 § 349; Dernb., pr. PrR. 2 § 104.
30) Windscheid 2 8§ 3310.
31) Windscheid 2 § 338; Dernb. pr. PrR. 2 § 65.
32) Windscheid § 2921; c. c. 1202; sächs. G. 663, 1021; preuß. LR. 1, 5 § 424;
älteres HGB. 280.
1) Siehe oben § 13.
2) So auch RG. 54 S. 316, 63 S. 19, 65 S. 357, 66 S. 76.