Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

484 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
Ein Kaufabschluß ohne feste Preisbestimmung ist nicht schon dann anzunehmen, wenn 
die Parteien eine ausdrückliche feste Preisbestimmung versäumen. Vielmehr kann eine feste 
Preisbestimmung auch stillschweigend getroffen werden, und alsdann ist von einem Recht des 
Verkäufers zur Preisfestsetzung nach billigem Ermessen keine Rede. Beispiel: Kaufmann A. 
bezeichnet am 1. März dem B. auf dessen briefliche Anfrage als Preis seiner Butter „2,8 Mk. 
das Kilo“; am 2. März erhöht A. den Preis in seinem Geschäft auf 3 Mk., am 3. März 
bestellt B. 50 Kilo Butter, ohne den Preis zu erwähnen; A. sendet die Butter sofort ab, 
gleichfalls ohne Preisangabe; hier muß der Preis von 2,8 Mk. als vereinbart gelten. 
Selbstverständlich ist ferner, daß das Bestimmungsrecht des Verkäufers nur dann Platz 
greift, wenn der Kauf trotz Unbestimmtheit des Kaufpreises wirklich abgeschlossen wurde. Diese 
Voraussetzung wird bei Gegenständen, deren Wert zweifelhaft ist, z. B. beim Kauf eines 
Hauses, eines Kunstwerks, sehr häufig nicht erfüllt sein; alsdann stellen die zwischen den 
Parteien getroffenen Vereinbarungen solange, als die Höhe des Kaufpreises nicht festgesetzt 
ist, eine unverbindliche Vorverhandlung dar. Doch wird man nicht behaupten dürfen, daß 
bei derartigen Gegenständen ein Kaufabschluß ohne Preisfestsetzung geradezu unmöglich sei. 
3. Daß der Preis ein objektiv angemessener sei, ist nicht erforderlich. 
Wohl aber muß er subjektiv angemessen sein, d. h. er muß dem von den Par- 
teien angenommenen Wert der Ware gleichkommen. 
Die Gründe, die die Parteien bestimmen können, einen andern Wert der Ware als 
den objektiven (d. h. den durchschnittlicher Schätzung entsprechenden) anzunehmen, sind 
mannigfach: Irrtum über den objektiven Wert, Geldverlegenheit des Verkäufers, Liebhaberei 
des Käufers, freundschaftliche Beziehungen der Parteien usw. 
Die Wertannahme der Parteien darf keine Fiktion sein, sondern muß auf einer ernst- 
lichen Abschätzung des Werts der Ware einerseits, des Werts des Kaufpreises andrerseits 
beruhn. Indes wird es im Einzelfall recht schwierig sein festzustellen, daß die Wertannahme 
der Parteien eine bloße Fiktion ist. Beispiel: A. hat sich einen schottischen Schäferhund 
kommen lassen und den objektiv angemessenen Preis dafür mit 400 Mk. sowie 4 Mk. Fracht 
bezahlt; kaum angekommen, beißt der Hund das Kind des A.; in der Erregung „verkauft" 
A. den Hund an seinen zufällig anwesenden Nachbarn B. für den Betrag der Fracht, also 
für 4 Mk. Hier ist der Unterschied zwischen diesem Preise und dem objektiven Wert des 
Hundes ein außerordentlicher: dennoch ist der Preis nicht als fiktiv zu bezeichnen; denn im 
Augenblick des Kaufabschlusses nahm A. ernstlich an, daß der Wert des Hundes subjektiv 
für ihn, den A., eher weniger als 4 Mk. betrage, und B. schloß sich dieser Wertschätzung 
des A. gleichfalls ernstlich an. 
III. Außer den für das Kaufgeschäft wesentlichen Hauptleistungen — 
Lieferung des Kaufgegenstandes einerseits, Zahlung des Kaufpreises andrer- 
seits — können Verkäufer und Käufer noch beliebige andre Leistungen über- 
nehmen. Doch muß es sich dabei bloß um Nebenleistungen handeln; denn 
sobald diese anderweitigen Leistungen in den Vordergrund treten, verliert der 
Vertrag den Charakter eines Kaufvertrages und wird zu einem Vertrage 
andrer Art. 
Beispiele. I. A. „verkauft“ sein Haus an B. für 20000 Mk.; dabei verspricht A. 
dem B. außerdem, alle Reparaturen, die innerhalb des nächsten Jahrs in dem Hause 
notwendig werden sollten, unentgeltlich zu besorgen, während B. die Verpflichtung über- 
nimmt, im nächsten Jahr ein Drittel von dem Obstertrage des zu dem Hause gehörigen 
Gartens an A. abzuliefern. Hier liegt ein echter Kauf mit Nebenleistungen beider Parteien 
vor. II. C. „verkauft“ sein Geschäft an D. für 30000 Mk.; dabei verspricht C. dem D. 
außerdem, das Geschäft die nächsten fünf Jahre in Person unentgeltlich zu leiten, während 
D. die Verpflichtung übernimmt, das Geschäft binnen dieser fünf Jahre dem C. jederzeit 
auf Verlangen für einen bestimmten Preis zurückzuverkaufen. Hier liegt kein Kauf, sondern 
ein Vertrag eigner Art vor.
	        
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