494 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
denn es hat keinen Sinn, wenn er wegen der bloßen Möglichkeit, daß er schließlich doch
noch auf einen andern Maskenball geht, sich schon jetzt in den Besitz eines Maskenanzuges
setzt; er hat also an der Lieferung des Anzuges infolge der Verspätung kein Interesse. Ob
B. gewußt hat oder hätte wissen müssen, daß A. den Anzug nur für Mittwoch haben wollte,
ist gleichgültig (7). 2. Derselbe Fall wie zu 1; nur hat B. den Anzug zwar nicht Montag
Abend, aber noch Dienstag Mittag angeboten; A. ist aber inzwischen erkrankt und kann des-
halb nicht auf den Ball gehn. Hier ist A. im Unrecht. Freilich hat auch in diesem Fall
die Nachlieferung kein Interesse für ihn; der Grund ist aber seine Krankheit und nicht die
Verspätung der Lieferung. 3. Derselbe Fall wie zu 2; nur ist A. gesund geblieben und
will auch den Maskenball besuchen; er hat sich aber, weil B. am Montag Abend nicht ge-
liefert hat, schon am Dienstag früh bei C. einen andern Anzug gekauft. Hier ist A. gleich-
falls im Unrecht. Freilich ist auch jetzt die Nachlieferung für ihn ohne Interesse; der Grund
ist aber nicht allein die Verspätung der Lieferung, sondern außerdem die Voreiligkeit A.s,
sich sofort, ohne erst bei B. nochmals Nachfrage zu halten, einen andern Anzug anzuschaffen.
II. D. hat an E. Ware, lieferbar am 1. Mai, verkauft, die er sich erst mit großen Unkosten
aus dem Auslande kommen lassen muß; durch irgendein Mißverständnis hält er das Ge-
schäft für ungültig und weigert sich, als E. ihn am 1. Mai mahnt, die Ware zu liefern.
Hier muß er diese Ubereilung damit büßen, daß E. nach Belieben die Nachlieferung fordern
oder ablehnen kann; D. weiß also nicht, ob er die Bestellung der Ware im Auslande so
rasch wie möglich nachholen soll oder ob er die Bestellung vergeblich machen würde. Er
wird demnach gut tun, wenn er den D. auffordert, sich binnen 24 Stunden zu erklären, ob
er auf der Nachlieferung besteht oder nicht.
Die Regel, daß der Käufer im Fall des Lieferungsverzuges des Verkäufers eine nach-
trägliche Lieferung sofort zurückweisen kann, falls der Verkäufer die Nachlieferung vorher
endgültig verweigert hatte, ist übrigens keineswegs zweifellos. Für sie spricht eigentlich nur
die ständige Praxis des Reichsgerichts, die so beharrlich durchgeführt wird, daß ihr wohl der
Charakter eines Gewohnheitsrechts zuzusprechen ist. Hiervon abgesehn würde sich die Regel
nur billigen lassen, wenn nicht bloß der Verkäufer die Lieferung verweigert, sondern außer-
dem der Käufer unverzüglich erklärt hat, daß er sich bei der Weigerung beruhige und auf
eine Nachlieferung verzichte.
c) Dagegen kann der Käufer im übrigen das Recht, die nachträgliche
Lieferung wegen Verspätung zurückzuweisen, erst ausüben, wenn er zuvor dem
Verkäufer eine angemessene Nachfrist zur Lieferung bestimmt hat (326 I
Satz 1, 2).
a) Die Bestimmung der Nachfrist kann erfolgen, wann es dem Käufer
beliebt. Es ist also einerseits statthaft, daß er die Nachfrist schon bestimmt,
noch ehe der Verkäufer in Verzug geraten ist s; andrerseits steht aber auch
nichts im Wege, wenn er sich erst dazu entschließt, nachdem der Verzug des
Verkäufers bereits jahrelang angedauert hat.“
Beispiel. A. hat sich am 1. Juni bei B. ein Buch lieferbar binnen 14 Tagen bestellt;
nun hört er, daß B. solche Bestellungen oft nachlässig ausführt, und schreibt ihm deshalb
schon am 3. Juni: „ich bemerke Ihnen, daß ich das Buch dringend brauche und seine Liefe-
rung nach dem 20. Juni unter keinen Umständen annehmen werde.“ Hier liegt zweifellos
eine gültige Nachfristbestimmung vor.
Auffälligerweise wird vielfach behauptet, die Bestimmung der Nachfrist könne gültig
erst geschehn, wenn der Verkäufer bereits in Verzug sei. Ja Ortmanns geht sogar soweit,
zu behaupten, daß in allen Fällen, in denen der Verkäufer erst durch eine Mahnung des
Käufers in Verzug gerät, die Fristsetzung nicht einmal mit der Mahnung verbunden werden
dürfe, sondern ihr nachfolgen müsse. Welchem Interesse soll aber diese Lehre dienen? Ist
3) Siehe RG. 52 S. 152. 4) Siehe R. 52 S. 316.
5) Ortmann Anm. 2à zu § 326.