496 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
e) Die Bestimmung der Nachfrist bedeutet einerseits, daß der Verkäufer
bis zum Ablauf der Frist zur Nachlieferung der Kaufsache berechtigt und ver-
pflichtet bleibt, andrerseits, daß, wenn der Verkäufer die Nachlieferung nicht
bis zum Ablauf der Frist bewirkt hat, sowohl sein Recht wie auch seine Pflicht
zur Nachlieferung nunmehr erlischt (326 I Satz 2).
Beispiel. A. hat von B. ein Haus gekauft und ihm, als er am 1. Mai mit der
Übergabe in Verzug geriet, sofort erklärt, daß er die Übergabe nach dem 10. Mai nicht mehr
annehmen werde; B. hat gegen diese Fristsetzung am 2. Mai Widerspruch erhoben, weil
eine neuntägige Nachfrist zu kurz sei, und hat die Ubergabe auch tatsächlich bis zum Ablauf
der Frist nicht bewirkt; darauf hat A. gegen B. am 11. Mai Klage auf Übergabe des
Hauses erhoben: B. beantragt Abweisung der Klage, weil A. am 10. Mai das Recht ver-
loren habe, die Übergabe zu fordern: A. erwidert, daß er inzwischen selber eingesehn habe,
seine Fristsetzung sei allzu kurz und deshalb ungültig gewesen, könne also sein Recht auf
Nachholung der Übergabe nicht beseitigt haben. Hier ist A. im Recht, wenn seine Frist-
setzung wirklich zu kurz gewesen ist; ist sie dagegen „angemessen“ gewesen, so ist er im Unrecht.
Der nachträglichen Ubergabe innerhalb der Nachfrist ist anscheinend ein vergebliches
Angebot der Übergabe innerhalb der Frist gleichzustellen: dies Angebot hätte also die Wirkung,
daß einerseits der Verkäufer das Recht behält, die Übergabe auch nach Ablauf der Frist an-
zubieten, andrerseits der Käufer berechtigt bleibt, die Übergabe auch nach Ablauf der Frist
zu fordern. Ob das Angebot vergeblich blieb, weil der Käufer es nicht annehmen konnte
oder weil er die Annahme zu Unrecht ablehnte, scheint keinen Unterschied zu machen.
) Die Bestimmung der Nachfrist kann, wenn sie dem Verkäufer einmal
zugegangen, vom Käufer nicht mehr widerrufen oder abgeändert werden.
Beispiel. In dem zu e genannten Fall kann A., wenn das gekaufte Haus einen hohen
Affektionswert für ihn hat und er deshalb die von ihm vorgenommene Fristsetzung bereut,
seine Rechtslage nicht dadurch bessern, daß er am 9. Mai, also noch vor Ablauf der Frist,
die Fristsetzung widerruft oder die Frist um ein Jahr verlängert, sondern er kann einseitig
nichts an ihr ändern: war sie zu kurz, so bleibt sie ungültig; war sie angemessen, so bleibt
sie gültig.
Mit der Regel zu ৠwird aber natürlich nur eine einseitige, nicht auch eine vertrags-
mäßige Anderung der Fristsetzung für unzulässig erklärt. Demnach würde ich es in dem
eben besprochenen Fall für zulässig erachten, wenn A. selne Fristsetzung unverzüglich, nachdem
B. gegen sie protestiert hat, widerrufen und damit B.s Protest angenommen hätte (s. 146 ff.).
3. a) Besteht der Käufer auf der Nachlieferung der Kaufsache durch den
säumigen Verkäufer, so wird der Kaufvertrag in vollem Umfang aufrechter-
halten, und es bleiben demgemäß auch die eignen Verpflichtungen des Käufers
aus dem Vertrage, insbesondre seine Kaufpreisschuld, in Kraft. Nur in einer
Beziehung tritt eine Anderung ein: der Verkäufer ist außer zur Nachlieferung
der Kaufsache auch zur Erstattung des Schadens verpflichtet, der dem Käufer
durch die Verspätung der Lieferung erwächst (286 I).
b) Ganz anders ist die Rechtslage, wenn der Käufer die Annahme der
nachträglichen Lieferung der Kaufsache wegen der Verspätung rechtmäßig ver-
weigert: hier kann der Käufer nach freier Wahl entweder von dem Kaufver-
trage ganz zurücktreten oder den Kaufvertrag dadurch aufrechterhalten, daß er
auf Grund des Vertrages statt der Nachlieferung der Kaufsache Schadensersatz
wegen Nichtlieferung dieser Sache fordert (326 1).
8) Abw. Ortmann Anm. 2e zu § 326.