504 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
Ubergabe im Zweifel dadurch ersetzt, daß F. den G. ermächtigt, die Weinlese selbst zu halten
und G. diese Ermächtigung annimmt. IV. H. hat seinen Ring an J. verkauft; vor der
Übergabe wird der Ring gestohlen und bei dem Diebe polizeilich beschlagnahmt; H. tritt
nunmehr seinen Herausgabeanspruch gegen Dieb und Polizei an J. ab. Hier wird die
Ubergabe im Zweifel zwar nicht schon durch diese Abtretung, wohl aber dadurch ersetzt, daß
J. auf Grund der Abtretung den Besitz des Ringes erlangt. V. K. hat sein Pferd an L.
verkauft und soll es ihm am 1. Mai übergeben; am 30. April bittet er aber den L. das
Pferd ihm bis zum 8. Mai leihweise zu belassen. Hier wird, obschon der Fall dem zu 1
genannten sehr ähnlich ist, darin, daß die Parteien den Leihvertrag in Kraft setzen, ein
Ersatz der Ubergabe im Zweifel nicht zu finden sein. Wenn also K. das Pferd dem L.
am 8. Mai versprochenermaßen übergibt, erfüllt er damit nicht bloß seine lbergabepflicht
als Entleiher, sondern zugleich seine bisher nur aufgeschobene Übergabepflicht als Verkäufer.
Besonders wichtig ist die Frage, ob die Übergabe durch irgendein Übergabesurrogat
ersetzt wird, für den Gefahrübergang. Beispielsweise geht die Gefahr auf den Käufer über,
sobald die Parteien in dem Fall 1 den Mietvertrag, nicht aber, sobald sie in dem Fall V.
den Leihvertrag in Kraft setzen.
II. Die Parteien vereinbaren überaus häufig, daß nicht der Käufer die
Kaufsache beim Verkäufer holen, sondern der Verkäufer sie ihm zusenden soll
(Versendungskauf).
1. a) Regelmäßig wird beim Versendungskauf der gesetzliche Erfüllungsort
für die Verpflichtungen des Verkäufers nicht an den Ort verlegt, an den die
Kaufsache zu versenden ist, sondern bleibt da, wo er sein würde, wenn der
Verkäufer die Versendung nicht übernommen hätte, also im Zweifel am Wohn-
oder Geschäftssitz des Verkäufers (s. 269). Diese Regel erklärt sich dadurch,
daß die Versendungspflicht eine bloße Nebenverpflichtung des Verkäufers ist.
In der Tat sind es meistens nur nebensächliche Zweckmäßigkeitsgründe, die
den Verkäufer veranlassen, dem Käufer die Mühe des Abholens zu ersparen:
der Schwerpunkt der Verkäuferobligation bleibt also da, wo der Verkäufer
wohnt oder sein Geschäft hat; hier ist es, wo er sich um die Beschaffung und
Bereitstellung der Kaufsache bemühn muß („gewöhnlicher Versendungs-
kauf“).
b) Indessen kann ausnahmsweise auch das Gegenteil vereinbart werden:
die Parteien können die Zusendung der Ware derart in den Vordergrund
stellen, daß der Schwerpunkt der Verkäuferobligation und damit auch der Er-
füllungsort an den Bestimmungsort der Kaufsache verlegt wird. Doch ist
eine derartige Vereinbarung („qualifizierter Versendungskauf") daraus
allein, daß der Verkäufer die Kosten der Zusendung übernimmt, noch nicht
zu folgern (269 III).2
Beispiele. A. in M. hat bei B. in N. eine Maschine gekauft. I. Hier liegt ein ge-
wöhnlicher Versendungskauf vor, wenn die Parteien vereinbart haben „die Maschine ist von
B. nach M. zu senden“, „die Maschine ist von B. auf eigne Kosten nach M. zu senden“.
II. Dagegen liegt ein qualifizierter Versendungskauf vor, wenn die Abrede lautete: „Er-
füllungsort M.“ oder „die Maschine ist von B. auf eigne Kosten und eigne Gefahr (() nach
M. zu senden“.: III. Zweifelhaft ist die Entscheidung, wenn die Abrede dahin ging „liefer-
1) Abw. einerseits Crome 2 S. 416, andrerseits Endemann § 159 à #0.
2) Siehe auch RG. 68 S. 78.