514 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
7) Gewähr für ordnungsmäßige Beschaffenheit der Kaufsache.“
§ 127.
I. 1. Dem Verkäufer liegt außer der Pflicht, die Kaufsache dem Käufer
zu übergeben und ihm das Eigentum der Sache frei von Rechten Dritter zu ver-
schaffen, noch eine dritte Hauptpflicht ob: er hat dem Käufer dafür Gewähr
zu leisten, daß die Sache ordnungsmäßig beschaffen oder, wie das Gesetz sich
in negativer Fassung ausdrückt, daß die Sache nicht mit Fehlern be-
haftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhn-
lichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch
aufheben oder mindern (459 I).
a) Diese Gewährschaftspflicht bezieht sich auf die Beschaffenheit der Kauf-
sache im weitesten Sinn, umfaßt also auch Verhältnisse der Sache, die mit
ihrer physischen Natur nichts zu tun haben, aber trotzdem ihren Wert und
ihre Brauchbarkeit beeinflussen. 2
Beispiele. I. Der Verkäufer eines Baugrundstücks haftet dafür, daß das Grundstück
nach den polizeilichen oder ortsstatutarischen Bestimmungen bebaut werden kann. II. Der
Verkäufer einer zum Weiterverkauf bestimmten Ware haftet dafür, daß der Verkauf der
Sache nicht gegen das Patentrecht eines Dritten verstößt.
b) Was unter „ordnungsmäßiger“ Beschaffenheit der Kaufsache einer-,
unter „Fehlerhaftigkeit“ der Sache andrerseits zu verstehn ist, läßt sich nicht
durch eine einheitliche Formel bestimmen; ebenso ist auch die „Tauglichkeit zu
dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch“ kein ein-
deutiger Begriff, weil zahllose Abstufungen von dem höchsten erreichbaren
Grade der Tauglichkeit zu der absoluten Untauglichkeit herabführen. Deshalb
hängt die Entscheidung über den Umfang der Gewährleistungspflicht des Ver-
käufers von der Verkehrssitte ab: der Käufer kann die Beschaffenheit der Sache
fordern, die von ordentlichen Verkäufern auch ohne besondre Vereinbarung der
Sitte nach unter Mitberücksichtigung der Höhe des von den Parteien be-
dungenen Kaufpreises und aller sonstigen Umstände des Einzelfalls gewähr-
leistet zu werden pflegt." Ist die Kaufsache nur der Gattung nach bestimmt,
so muß der Verkäufer im Zweifel dafür Gewähr leisten, daß die Sache von
mittlerer Art und Güte ist (243 1).
Beispiele. I. Wer einen Roman kauft, kann verlangen, daß keine Seite herausgerissen
ist und keine Fettflecken im Buch sind: dagegen muß er sich eine mäßige Zahl von Druck-
sehlern gefallen lassen und kann auch nichts dagegen einwenden, wenn der Roman für ihn
zu hoch ist; ist der Roman widrig frivol, so kann er sich darüber beschweren, wenn er ihn
als Einsegnungsgeschenk, nicht aber, wenn er ihn als Weihnachtsgeschenk gekauft hat. II. Wer
einen Kanarienvogel ohne weiteren Zusatz kauft, kann beanspruchen, daß der Vogel ein
Männchen ist. III. Wer eine Blumenvase kauft, kann fordern, daß sie nicht leckt; wer eine
1) Schollmeyer, Jahrb. f. Dogm. 49 S. 93.
2) RG. 52 S. 1, 59 S. 243, 69 S. 430, 70 S. 82.
3) Abw. RG. 52 S. 432. 4) Siehe R. 67 S. 146.