516 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
dunkel war und er obendrein, obschon kurzsichtig, seine Brille vergessen hatte. Hier ist F.,
wenn er nicht arglistig gehandelt hat, haftfrei; denn darin, daß E. die Besichtigung bei
Dunkelheit und ohne Brille vornahm, lag eine grobe Fahrlässigkeit. b) G. kauft von H.
ein diesem gehöriges zurzeit bei dem Kunsthändler J. befindliches Bild, das er vor einigen
Monaten genau besichtigt hat; nach der Besichtigung, aber vor dem Kauf ist durch einen
Zufall der Rahmen des Bildes offensichtlich beschädigt. Hier ist H. haftfrei, wenn er die
Beschädigung nicht erfahren hatte; denn darin, daß G. die Besichtigung nicht kurz vor dem
Kauf wiederholt hat, lag eine grobe Fahrlässigkeit. Freilich lag auch auf seiten H.s eine
grobe Fahrlässigkeit vor, da auch er das Bild sich nochmals hätte ansehn sollen, ehe er es
verkaufte; doch kommt es nur auf die Fahrlässigkeit des Käufers, nicht auch auf die des
Verkäufers an. Doch ist bei dieser Entscheidung vorausgesetzt, daß G. das Bild bei J. kurz
vor dem Kauf ohne besondre Mühe nochmals ansehen konnte; denn wenn er z. B. an einem
andern Ort wohnte als J., wird man ihm die Unterlassung einer neuen Besichtigung höchstens
als geringe Fahrlässigkeit zurechnen. 3. a) K. hat sich bei L. Gardinen gekauft; ein Arbeiter
L.8 bringt sie dem K., um sie, wie vereinbart, aufzumachen; beim Auspacken entdeckt K.
einen Riß in einer Gardine, der beim Kauf nicht erkennbar gewesen war, läßt die Gardinen
aber ruhig aufmachen. Hier ist L. haftfrei; denn K. hätte sich vor dem Aufmachen seine
Rechte durch eine Erklärung gegenüber dem Arbeiter vorbehalten müssen. b) Anders wäre
zu entscheiden, wenn L. die Gardinen dem K. durch die Post zugestellt und K. das Auf-
machen selber besorgt hätte;: denn hier war K. bei der Annahme der Gardinen zum Vor-
behalt seiner Rechte nicht imstande, weil der Postbote, selbst wenn er bei der Entdeckung des
Risses noch anwesend gewesen wäre, zur Entgegennahme des Vorbehalts nicht ermächtigt
war. Nun könnte man freilich denken, daß K. in einem solchen Fall den Vorbehalt un-
verzüglich nach der Annahme, etwa durch einen Brief an die Adresse L.s, hätte erklären
müssen. Allein das Gesetz hat nur einen Vorbehalt „bei“, nicht „nach“ der Annahme vor-
geschrieben. Und die Notwendigkeit eines nachträglichen Vorbehalts als selbstverständlich zu
unterstellen, geht nicht an, weil ein Vorbehalt nach der Annahme nicht etwa im Vergleich
zum Vorbehalt „bei“ der Annahme eine Minder= sondern im Gegenteil, weil er viel um-
ständlicher ist, eine Mehrbelastung des Käufers bedeuten würde. 4. M. raucht die von N.
gekauften und mit der Post zugesandten Zigarren auf, obschon sie durch Nässe erheblich ge-
litten haben, und macht sogar ohne Vorbehalt eine Neubestellung. Hier ist N. haftfrei;
allerdings liegt darin, daß M. die Zigarren geraucht hat, noch keine Genehmigung ihrer
Mängel, da M. hierdurch mindestens eines seiner auf diesen Mängeln beruhenden Rechte,
nämlich das auf Preisminderung, keineswegs preisgab; wohl aber liegt eine Genehmigung
der Mängel in der Neubestellung. 5. O. in P. kauft von O. in R. eine kostbare Figur
aus der Porzellanmanufaktur in Sevres; O. hat die Figur nicht vorrätig, läßt sie sich aber
laut Vereinbarung mit O. aus Sevres nach R. kommen und sendet sie auf Verlangen des
O. durch einen eignen Boten nach dem nahen P.; auf dem Transport wird die Figur durch
Zufall beschädigt. Hier muß O. dem O. für den Mangel aufkommen, wenn die Beschädigung
auf der Strecke Sevres bis R., er muß es nicht, wenn die Beschädigung auf der Strecke R.
bis P. erfolgt ist. 6. S. entdeckt, daß in dem Tafelgeschirr, das er von T. gekauft hat, das
Muster nicht bei allen Stücken gleichmäßig ausgefallen ist. Hier ist T. haftfrei, wenn die
Ungleichheit nur bei ganz genauer Prüfung des Geschirrs zu bemerken ist. 7. U. hat ein
Fahrrad, das V. von W. als Pfand erhalten und bei Verfall der Pfandforderung als Pfand
veräußert hat, in der Versteigerung erstanden; nun stellt sich heraus, daß der Mechanismus
des Rades so verschlissen ist, daß es keine längere Fahrt mehr aushält. Hier ist V. haftfrei,
auch wenn W. die Mängel des Rades so geschickt verdeckt hatte, daß sie bei der Versteigerung
nicht zu erkennen waren. Doch wird man wohl eine Ausnahme gelten lassen, wenn V. arg-
listig gehandelt hat.
2. Die Kosten, die dadurch entstehn, daß die Kaufsache in ordnungs-
mäßige Beschaffenheit gebracht wird, trägt allein der Verkäufer.
8) Abw. die 4. Aufl. d. Buchs 1 S. 447.