522 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
der „Ablieferung", beim Grundstückskauf mit der „Übergabe“ der Kaussache
(477 1); wie es scheint, ist der Unterschied zwischen Ablieferung und Über-
gabe, daß jene auch durch eine einseitige Handlung des Verkäufers erfolgen
kann, 1° während diese stets vertragsmäßig erfolgen muß. Gleichgültig ist, ob
der Käufer bei Beginn oder wenigstens im Lauf der Verjährungsfrist den
Mangel erkannt hat oder hat erkennen können: seine Kenntnis verkürzt, seine
Unkenntnis verlängert die Verjährung nicht.
Beispiele. I. 1. A. hat dem B. Steine für einen Bau verkauft und liefert sie am
1. Mai auf der Baustelle dadurch ab, daß er sie dort abladet, obschon zufälligerweise niemand
anwesend ist, der sie abzunehmen befugt wäre; bald darauf erscheint B. auf der Baustelle,
findet die Steine mangelhaft und verweigert ihre Abnahme; am 15. Mai nimmt er die
Abnahme aber doch vor; später stellt er fest, daß die Steine noch weit mangelhafter sind, als
er ursprünglich angenommen, und verlangt Wandlung. Hier beginnt die Verjährung des
Wandlungsanspruchs anscheinend schon am 1. Mai. 2. C. hat dem D. ein Haus verkauft
und bietet ihm die Übergabe am 1. Mai an: D. erklärt das Haus für mangelhaft und
weist die Ubergabe zurück; C. stellt ihm darauf das Haus zur Verfügung und schickt ihm
die Hausschlüssel mit der Post zu; am 15. Mai kommt aber die Ubergabe des Hauses nach-
träglich doch zustande; später stellt D. fest, daß das Haus noch weit mangelhafter ist, als
er ursprünglich angenommen, und verlangt Wandlung. Hier beginnt die Verjährung des
Wandlungsanspruchs erst am 15. Mai. II. E. führt einen Wein, der völlig einwandsfrei
ist, aber binnen sechs Monaten getrunken werden muß, weil er sich nicht länger hält; von
ihm hat er an F. 100 Flaschen verkauft und dabei vergessen, dem D. diese kurze Haltbarkeit
des Weins mitzuteilen. Hier ist F., wenn er den Wein schont und erst im siebenten Monat
hinter den Fehler kommt, zur Wandlung des Kaufs nicht mehr imstande.
Ein einseitiger Ablieferungsakt bringt die Verjährung natürlich nur in Gang, wenn
er rechtmäßig vorgenommen wird, und es wird sehr oft zweifelhaft sein, ob dies der Fall ist.
Jedenfalls kann keine Rede davon sein, daß der Verkäufer allgemein zu einseitiger Abliefe-
rung befugt wäre, sobald eine zweiseitige Üübergabe auf Schwierigkeiten stößt. 8
Nicht selten wird im Einzelfall die Ablieferung oder Übergabe für den Beginn der
Verjährung (gerade wie für den Gefahrübergang) durch irgendeinen andern Vorgang ersetzt;
ist der Käufer z. B. schon beim Abschluß des Kaufs im unmittelbaren Besitz der Kaufsache,
so wird die Verjährung sofort mit dem Vertragsschluß ihren Anfang nehmen. Dagegen
wird, wenn Ablieferung oder Übergabe durch ein Besitzkonstitut oder durch die Abtretung
des Herausgabeanspruchs gegen den unmittelbaren Besitzer der Kaufsache ersetzt wird (s.
oben S. 503 1) die Verjährung regelmäßig erst beginnen, wenn der Käufer nachträglich den
unmittelbaren Besipn der Sache erlangt; denn diese Vorgänge sind eben keine Ablieferung
oder Übergabe; und daß die Parteien sie der Ablieferung oder Übergabe gleichstellten, ist
nicht ohne weiteres anzunehmen, da sie dem Käufer eine sorgfältige Prüfung der Kaufsache
nicht in derselben Art ermöglichen.
88) Die Verjährung wird außer durch Anerkenntnis, Klage, Streitver-
kündigung usw. auch dadurch unterbrochen, daß der Käufer gerichtliche Beweis-
aufnahme zur Sicherung des Beweises beantragt (477 II Z8PO. 485 ff.).
7)0) Für die Verjährung bildet der Wandlungsanspruch zusammen mit
den andern Ausprüchen, die dem Käufer, wie später zu zeigen, wegen eines
Mangels der Kaufsache zustehn, eine Einheit: demgemäß bewirkt die Hemmung
oder Unterbrechung der Verjährung eines dieser Ansprüche zugleich die Hemmung
oder Unterbrechung der Verjährung der andern Ansprüche (477 III).
17) Siehe R. 5 S. 31.
18) Siehe Düringer-Hachenburg, Komment. z. HGB. 3 S. 19.