530 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
3. Was endlich den Anspruch des Käufers auf Schadensersatz angeht, so
ist zu unterscheiden:
a) Stillschweigend versagt ist dem Käufer das Recht, Schadensersatz bloß
deshalb zu fordern, weil die Kaufsache tatsächlich Mängel aufweist oder weil
dem Verkäufer in Ansehung dieser Mängel Fahrlässigkeit, sei es leichte, sei
es gar grobe, zur Last fällt.
Beispiel. A. hat dem B. Einmachgläser verkauft und geliefert, die nicht dicht schließen;
die Folge ist, daß dem B. die Gemüse und Früchte, für die er die Gläser verwendet, ver-
derben. Hier ist A. nur zur Zurücknahme, Ersatzlieferung und Preisminderung verpflichtet,
braucht dagegen den Wert des verdorbenen Gemüses nur zu ersetzen, wenn er den Mangel
der Gläser arglistig, nicht schon dann, wenn er ihn aus grober Fahrlässigkeit dem B. ver-
schwiegen hat.
Auch in dieser Beziehung ist das Reichsgericht andrer Meinung. Doch hätte das
Gesetz, wenn es eine derartige allgemeine Ersatzpflicht hätte anerkennen wollen, dies irgend-
wie angedeutet (s. 463, 480 I1).
b) Stillschweigend belassen ist dem Käufer das Recht auf Schadensersatz
a) in dem Fall, daß der Verkäufer mit der vom Käufer verlangten Wand-
lung, Ersatzlieferung oder Preisminderung in Verzug gerät;
6) in dem Fall, daß die Mängel der Kaufsache erst nach dem Kauf-
abschluß durch ein Verschulden des Verkäufers entstanden sind.
Beispiele. I. A. hat von B. Kohlen gekauft; die Kohlen werden am 1. Oktober ge-
liefert und am 1. November als mangelhaft erkannt; B. verlangt nun am 5. November
von A. die sofortige Lieserung guter Kohlen; A. erfüllt dies Verlangen erst am 1. Dezember.
Hier muß B. dem A. den Schaden, der diesem durch das Fehlen guter Kohlen entstanden
ist, zwar nicht für die Zeit vom 1. Oktober bis 5. November, wohl aber für die Zeit vom
5. November bis 1. Dezember ersetzen. II. Der Polsterer C. verkauft an D. ein Sofa, das
bei der Lieferung ein Nest von Motten aufweist. Hier ist C. nur im Fall der Arglist haftbar,
wenn die Motten bereits zur Zeit des Kaufs im Sofa hausten; dagegen haftet er schon bei
geringer Fahrlässigkeit, wenn die Motten erst in der Zeit zwischen Kauf und Lieferung
ihren Einzug in das Sofa hielten.
VII. 1. Unanwendbar sind die Regeln dieses Paragraphen, wenn der Ver-
käufer beim Kauf einer individuell bestimmten Sache ein andres Exemplar als
das vereinbarte oder beim Gattungskauf eine Sache von einer andern Art als
der vereinbarten liefert. Denn in diesen Fällen handelt es sich nicht darum,
daß der Verkäufer die Kaufsache mit Mängeln geliefert, sondern daß er sie
überhaupt nicht geliefert hat. Demnach ist hier von Wandlung oder Preis-
minderung keine Rede, die kurze sechs= oder zwölfmonatige Verjährung greift
nicht Platz usp. Vielmehr kann der Käufer sich einfach auf den Standpunkt
stellen, daß der Verkäufer mit jener Lieferung seiner Ubergabepflicht (oben
S. 492) nicht genügt hat.
Beispiel. A. bestellt bei dem Buchhändler B. Effi Briest von Fontane; B. liefert
aber irrtümlich Fontanes Irrungen und Wirrungen; A. verschenkt das Buch unausgepackt
und erst nach sieben Monaten stellt der Irrtum sich heraus. Hier kann A. noch jetzt, un-
gehemmt durch die sechsmonatige Verjährung, die Lieferung der richtigen „Effi Briest“ unter
Rückgabe der „Irrungen und Wirrungen" fordern; denn man kann die „Irrungen und
Wirrungen“ nicht als eine mangelhafte „Effi Bricsl“ auffassen.
35) RG. 52 S. 19, 53 S. 203, 56 S. 169. Dagegen auch Ortmann Anm. 1 vor § 459.