Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

544 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
Die Rechtslage der beiden Parteien ist also äußerst verschieden. Der Ver- 
käufer ist fest gebunden: sobald es dem Käufer beliebt, muß er den Kauf- 
gegenstand liefern. Der Käufer dagegen ist frei: mag auch der vom Ver- 
käufer angebotene Gegenstand den Bestimmungen des Vertrages genau ent- 
sprechen und sogar dem Käufer besonders gut gefallen, der Käufer kann ihn 
dennoch zurückweisen, nach Gutdünken, sogar ohne Angabe des Grundes. 
Beispiel. A. kauft von B. als Geburtstagsgeschenk für seine Frau „auf Probe“ einen 
Mantel; am Geburtstage probiert die Frau den Mantel an: beide Gatten finden ihn passend, 
gut und preiswert; dennoch geben sie ihn zurück, weil inzwischen als Geschenk der Schwieger- 
mutter ein andrer Mantel angekommen ist. Hier muß B. sich das gefallen lassen. 
Vom „Kauf auf Probe“ ist zu unterscheiden: 1. der „Kauf auf Umtausch“; hier ist 
der Käufer nicht völlig frei, sondern darf den Kaufgegenstand nur dann zurückweisen, wenn 
er sich mit dem Verkäufer über einen Ersatzkauf einigt; der Verkäufer darf aber unter ge- 
wissen Voraussetzungen das Angebot eines Ersatzkaufs seitens des Käufers nicht zurück- 
weisen; ? 2. die „Ansichtssendung“; hier ist nicht bloß der Käufer, sondern auch der Verkäufer 
ungebunden; 3. der einseitige vom Käufer noch nicht angenommene „Verkaufsantrag“; hier 
ist freilich der Verkäufer gebunden, der Käufer frei, wie beim Kauf auf Probe; dennoch hat 
der Empfänger eines Verkaufsantrages eine wesentlich andre Stellung als der Probekäufer 
(s. einerseits 495 II, 496, andrerseits 150, 149); 4. ein Kauf, bei dem der Käufer den Kauf- 
gegenstand nicht nach Belieben, sondern nur nach billigem Ermessen zurückweisen darf. 
2. Der Kauf auf Probe ist ein bedingter Kaufvertrag; die Bedingung 
ist die Billigung des Kaufgegenstandes seitens des Käufers; sie ist im Zweifel 
aufschiebend, selbst wenn der Kaufgegenstand dem Käufer bereits zur Probe 
übergeben ist (495 1 Satz 2). 
3. Solange die Bedingung schwebt, hat der Verkäufer die Pflicht, dem 
Käufer die Untersuchung des Kaufgegenstandes zu gestatten (495 II) und, falls 
es so ausgemacht ist, den Kaufgegenstand dem Käufer zur Probe einstweilen 
zu übergeben. 
Eine bedingte Übereignung des Kaufgegenstandes liegt in dieser Übergabe nicht, es sei 
denn, daß sie besonders vereinbart wäre. — Der Käufer muß den Kaufgegenstand, wenn er 
ihn untersucht oder sich übergeben läßt, mit aller Sorgfalt behandeln; verletzt er ihn schuld- 
haft, so braucht er ihn zwar nicht zu behalten, ist aber schadensersatzpflichtig. 
Im übrigen kommen die allgemeinen für die bedingten Rechtsgeschäfte geltenden 
Regeln zur Anwendung. 
4. Der Käufer darf die Billigung des Kaufgegenstandes nur innerhalb 
der vereinbarten Frist und in Ermangelung einer solchen nur bis zum Ablauf 
einer ihm vom Verkäufer bestimmten angemessenen Frist erklären, sei es aus- 
drücklich, sei es stillschweigend, indem er etwa den Kaufgegenstand annimmt 
und alsdann den Kaufppreis ohne Vorbehalt bezahlt. Gibt der Käufer binnen 
der Frist eine Erklärung nicht ab, so gilt dies, wenn der Kaufgegenstand dem 
Käufer übergeben war, als Billigung, bringt also den Kaufvertrag endgültig 
zustande; ist dagegen der Kaufgegenstand dem Käufer nicht übergeben oder 
wieder zurückgegeben, so gilt die Nichterklärung des Käufers umgekehrt als 
Mißbilligung, befreit also beide Parteien endgültig (496). 
2) Vgl. Ortmann, Bl. f. Rechtsanw. in Bayern 06 S. 685. 
 
	        
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