5 135. Pflichten des Vermieters. Verzug. 555
4. Erfüllt der Vermieter die ihm obliegenden Verpflichtungen nicht, so
greifen die allgemeinen für gegenseitige Verträge geltenden Regeln Platz, freilich
mit wesentlichen Abänderungen.
a) Der Mieter kann zuvörderst auf Erfüllung der Vermieterpflichten bestehn
und im Verzugsfall Schadensersatz wegen Verspätung fordern.
Doch ist dabei zu unterscheiden, wie folgt. I. Erster Fall: die Einhaltung der be-
dungenen Mietzeit ist schlechthin wesentlich. Alsdann kann der Mieter die Erfüllung nur
für den noch nicht abgelaufenen Teil der Mietzeit fordern. Ein Beispiel (Wohnungsmiete)
s. oben S. 436 IV. II. Zweiter Fall: die Einhaltung der bedungenen Mietzeit ist nicht wesent-
lich. Alsdann kann der Mieter die Erfüllung sogar nach vollständigem Ablauf der Miet-
zeit fordern. Beispiel: A. hat von B. eine Dreschmaschine, lieferbar Mitte August, auf eine
Woche gemietet; B. liefert die Maschine erst am 30. August; hier kann A. verlangen, daß
die Maschine ihm bis zum 6. September gelassen wird.
b) Der Mieter kann ferner (regelmäßig unter Bewilligung einer Nachfrist)
auf die Erfüllung der Vermieterpflichten verzichten und Schadensersatz wegen
Nichterfüllung fordern (325, 326). Doch setzt diese Regel voraus, daß der
Vermieter die Nichterfüllung seiner Verpflichtungen vertreten muß; sie versagt
also regelmäßig, wenn der Vermieter durch einen Zufall an der Erfüllung
verhindert war.
Beispiel. Der Vermieter A. hat dem B. die Mietwohnung auch binnen der von B.
gehörig bestimmten Nachfrist nicht übergeben; B. mietet sich deshalb eine andre teurere
Wohnung. Hier muß A. dem B., wenn dieser keine billigere Wohnung finden konnte, den
Unterschied der beiden Mietpreise ersetzen und wird auch dadurch nicht frei, daß er sich nach-
träglich zur Ubergabe der Vertragswohnung bereit erklärt.
J) Schließlich kommt dem Mieter zwar nicht das bei sonstigen gegenseitigen
Verträgen geltende Rücktrittsrecht, wohl aber an dessen Stelle eine noch weiter
greifende Vergünstigung zu: er ist für die ganze Zeit, während deren er den
vertragsmäßigen Gebrauch der Mietsache entbehrt hat, von der Entrichtung des
Mietzinses befreit und kann für die Folgezeit die Miete ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist aufkündigen (537, 541, 542, 323 1). Diese Regel gilt gleich-
mäßig, wenn der Vermieter die Erfüllung seiner Verpflichtungen bloß ver-
zögert, wie dann, wenn er sie gänzlich unterläßt; und sie gilt nicht bloß, wenn
das Verhalten des Vermieters ein schuldhaftes war (Verzug, schuldhafte Un-
möglichkeit der Erfüllung), sondern auch dann, wenn der Vermieter an der
Erfüllung seiner Verpflichtungen durch einen von ihm nicht zu vertretenden
Umstand behindert worden ist; nur dann ist sie nicht anwendbar, wenn den
Mieter selber eine (überwiegende) Schuld trifft. Ehe der Mieter kündigt, muß
er dem Vermieter zur Erfüllung von dessen Verpflichtungen eine angemessene
Nachfrist bestimmen, es sei denn, daß die Erfüllung infolge des die Kündigung
rechtfertigenden Umstandes für den Mieter kein Interesse hat (542 I).
Diese Vorschrift erinnert an die Bestimmung zu b, daß der Mieter auch dann, wenn
er Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordern will, dem Vermieter regelmäßig eine Nach-
frist zu gewähren hat. Doch besteht der Unterschied, daß der Mieter im Fall b bei Be-
stimmung der Frist erklären muß, er werde nach dem Fristablauf die Erfüllung nicht mehr
annehmen, während bei Bestimmung der der Kündigung vorausgehenden Frist der Mieter
diese Erklärung nicht abzugeben, ja die Kündigung nicht einmal anzudrohn braucht.