Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

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Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
V. Die Schenkung. 
1. Bie gewöhnliche Schenkung. 1 
8 139. 
J. Bei der Schenkung (donatio) vereinbaren zwei Parteien, der 
Schenker oder Geschenkgeber und der Beschenkte oder Schenkungsempfänger, 
eine unentgeltliche Zuwendung, durch die jener diesen aus seinem Vermögen 
bereichert (516 I). 
1. Die Schenkung ist eine „Zuwendung“. Was hierunter zu verstehn, 
ist bereits früher (oben S. 161) ausgeführt. 
Beispiele. I. Es ist eine Zuwendung des A. an B. und kann also auch eine Schenkung 
des A. an B. sein, wenn A. sein Haus dem B. übereignet, wenn er ein ihm gehöriges Bild 
dem B. auf zwanzig Jahre zum Gebrauch überläßt, wenn er ihm die Zahlung von 1000 Mk. 
binnen Jahresfrist zusagt, wenn er auf eine ihm gegen B. zustehende Forderung von 1000 Mk. 
Verzicht leistet, wenn er eine dem C. gegen B. zustehende Forderung zu Händen des C. be- 
zahlt usm. II. Auf dem Grundstück des D. steht hart an der Grenze gegen das Grundstück 
des E. eine sehr hohe Mauer, die den Wert des letzteren Grundstücks empfindlich beeinträchtigt, 
da sie ihm alle Aussicht auf das Gebirge nimmt; nun legt D. die Mauer dem E. zuliebe 
nieder und ersetzt sie durch eine Hecke. Hier kann in diesem Verhalten des D. eine Zu- 
wendung und also auch eine Schenkung an E. liegen. Doch ist dabei vorausgesetzt, daß D. 
mit der Niederlegung der Mauer eine Rechtswirkung hervorbringen, z. B. sich bewußter- 
maßen in die Rechtsstellung eines Geschenkgebers gegenüber E. bringen wollte. Denn wenn 
dem D. diese Absicht fehlte, stellte seine Handlung kein Rechtsgeschäft (s. oben S. 151 c), also 
auch keine Zuwendung und somit letztlich auch keine Schenkung dar.2 
2. Die Schenkung ist eine „unentgeltliche“ Zuwendung. Was das zu 
besagen hat, ist gleichfalls bereits früher (oben S. 161) erörtert. Doch ist 
hier Begriff und Wesen des Entgelts noch etwas genauer zu entwickeln, um 
dadurch zu einer sichern Abgrenzung der unentgeltlichen und der entgeltlichen 
Zuwendung zu gelangen. 
a) Das Entgelt braucht keinen Vermögenswert zu haben, sondern es ge- 
nügt, wenn ihm von den Parteien ein idealer Wert beigelegt und dieser Wert 
dem der Zuwendung gleichgesetzt wird. " Demnach ist eine Zahlung nicht bloß 
entgeltlich, wenn sie zwecks Erfüllung einer rechtsgültigen Schuld, sondern auch 
dann, wenn sie zur Erfüllung einer nur durch die Sitte gebotenen Verpflich- 
tung geleistet wird:" das Entgelt besteht alsdann darin, daß die Last, die dem 
Verpflichteten vom Gesetz oder von der Sitte auferlegt wird, in Fortfall 
kommt. 
Beispiele. I. Wenn A., der früher in Konkurs geraten war und mit seinen Gläubigern 
einen Zwangsvergleich abgeschlossen hat, später die ihm durch den Vergleich zum Teil erlassenen 
1) Ortloff, Arch. f. BR. 21 S. 269. 
2) Etwas anders die 4. Aufl. S. 493. Siehe Ortmann Anm. 5 zu § 516. 
3) RG. 62 S. 275, 72 S. 191. Vgl. ebenda 70 S. 16. 
4) Vgl. Simson, Begriff des Entgelts (09) S. 60.
	        
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