Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

576 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
belassen solle; denn alsdann hat D. die „Leistung“ des Pferdes nicht bloß versprochen, 
sondern tatsächlich vollzogen; und wenn E. am 15. Juni die Herausgabe des Pferdes 
fordert, stützt er seinen Anspruch nicht auf ein Schenkungsversprechen des D., sondern auf 
den mit ihm abgeschlossenen Leihvertrag. III. F., der dem G. vormals 1000 Mk. geliehn, 
erklärt ihm mündlich: „wenn du dein Examen machst, schenke ich dir deine Schuld“. Hier 
ist die Gültigkeit dieses Geschenks zweifelhaft. Die Erklärung des F. ist nämlich gültig, 
wenn sie den Sinn hatte: „ich erlasse dir die Schuld schon heute unter der ausschiebenden 
Bedingung deines Examens“; sie ist ungültig, wenn ihr Sinn war: „ich verpflichte mich schon 
heute, dir die Schuld zu erlassen, sobald du dein Examen machst“. Im Zweifel wird wohl 
das letztere anzunehmen sein. IV. H. schenkt dem J. mündlich sein Landhaus samt Mobiliar, 
läßt darauf das Haus dem J. auf, verweigert aber, weil er J. nicht dankbar genug findet, 
die Ubergabe. Hier ist der Formmangel der Schenkung durch die Auflassung wenigstens 
insoweit geheilt, als sie die Übereignung des Hauses von H. an J. betraf; demnach kann 
J., gestützt auf sein Eigentum am Hause, dessen Herausgabe von H. fordern. Dagegen ist 
die Schenkung, soweit sic das Mobiliar betraf, ungültig geblieben; J. kann also dessen 
Herausgabe nicht beanspruchen. 
Nicht zweifellos liegt folgender Fall: A. will gleichzeitig seine Bibliothek verkaufen und 
dem B. 10000 Mk. schenken; demnächst verkauft er wirklich durch mündliche Vereinbarung 
die Bibliothek für 20000 Mk. an C. mit der Abrede, daß der Anspruch auf die Hälfte des 
Kaufpreises dem B. zustehn solle, und teilt dies dem B. mit, worauf dieser die Annahme 
der Schenkung erklärt: nachträglich beschließen A. und C. die Aufhebung des Kaufs; als 
B. nunmehr seine 10000 Mk. von C. einfordert, wendet dieser ein, die Schenkung des A., 
auf der B.s angeblicher Anspruch beruhe, sei mangels gehöriger Beurkundung ungültig. 
Wie es scheint, ist hier C. im Unrecht. Denn im Verhältnis zwischen A. und C. und zwischen 
C. und B. liegt weiter nichts als ein Kauf vor, der keiner Form bedarf. Dagegen liegt im 
Verhältnis zwischen A. und B. allerdings eine Schenkung vor; diese Schenkung stellt aber 
kein bloßes Schenkungsversprechen des A. dar, sondern ist von A. durch die Tat vollzogen, 
nämlich dadurch, daß dieser dem B. eine nicht auf einer Schenkung, sondern auf einem Kauf 
beruhende Forderung gegen C. verschafft hat. 
Der Gedanke, der der Formvorschrift zu 1 zugrunde liegt, ist der folgende. Die 
Schenkung ist kein wirtschaftliches Geschäft, wie Kauf. Miete u. dgl., sondern von zarterer 
Beschaffenheit. Deshalb gehört ein Streit über die Erfüllung der Schenkung nicht vor die 
Gerichte, sowenig wie ein Streit über die Bezahlung eines Spielgewinns. Es wird also 
einerseits, solange die Schenkung noch nicht vollzogen ist, dem Beschenkten die Klage auf 
Vollziehung, andrerseits, wenn die Schenkung vollzogen ist, dem Schenker die Klage auf 
Rückgewähr des Geschenkten versagt. Nur wenn die Schenkung in gerichtlicher oder 
notarieller Form erklärt ist, büßt sie die ihr sonst eigne Zartheit ein, und eine Klage des 
Beschenkten auf Erfüllung der Schenkung wird gerechtfertigt. — übrigens hat die Form- 
vorschrist des BGB.Ss noch weitere Vorzüge: bei einer tatsächlich noch nicht vollzogenen 
Schenkung ist die Gefahr einer Übereilung des Geschenkgebers groß; denn auch, wer recht 
vorsichtig ist, wenn er „heute“ handelt, ist oft genug leichtsinnig, wenn er etwas „für morgen“ 
verspricht; auch ist es bei einer erst in Zukunft zu erfüllenden Schenkung nicht selten 
schwierig sestzustellen, ob sie von dem Schenker wirklich in der Absicht, sich rechtlich zu ver- 
pflichten, zugesagt ist. Nach beiden Richtungen hin schneidet die Formalisierung der unvoll- 
zogenen Schenkung jedes Bedenken ab. 
2. Außer der Sondervorschrift zu 1 sind selbstverständlich auch die allge- 
meinen Formvorschriften auf die Schenkung anwendbar. Insbesondre ist, 
wenn jemand schenkungsweise die Übereignung eines Grundstücks verspricht, 
nicht bloß nach der Regel zu 1 das Schenkungsversprechen, sondern nach einer 
früher besprochenen allgemeinen Regel auch die Annahmeerklärung des Be- 
schenkten gerichtlich oder notariell zu beurkunden (313). 
Die oben S. 377, 4 erwähnten landesrechtlichen Abschwächungen der letztern Regel sind
	        
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