Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 139. Dürftige Lage des Schenkers. 579 
3. à) Befindet sich der Schenker in dürftiger Lage, so kann er von dem 
Beschenkten die Rückgabe des Geschenks insoweit fordern, als er andernfalls 
außerstande sein würde, seinen eignen standesmäßigen Unterhalt zu bestreiten 
oder die Unterhaltspflicht, die ihm seinen Verwandten und seinem jetzigen oder 
vormaligen Ehegatten gegenüber obliegt, zu erfüllen (528 1 Satz 1). 
a) Der Beschenkte muß das Geschenk derart zurückgewähren, daß dem 
Schenker die zum Unterhalt nötigen Mittel immer auf drei Monate zur Ver- 
fügung stehn (528 1 Satz 3, 760; s. auch 1613). 
60) Der Beschenkte kann die Rückgabe des Geschenks dadurch abwenden, 
daß er dem Schenker die zur Bestreitung des Unterhalts erforderlichen Mittel 
in Geld gewährt (528 1 Satz 2). 
)) Der Beschenkte ist von der Rückgabepflicht frei (529): 
a#) wenn der Schenker seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder durch grobe 
Fahrlässigkeit selber herbeigeführt hat; 
96) wenn zur Zeit des Eintritts seiner Bedürftigkeit seit der Leistung des 
Geschenks zehn Jahre verstrichen sind; 
9)) insoweit, als er bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen 
außerstande ist, das Geschenk zurückzugeben, ohne daß sein eigner standesmäßiger 
Unterhalt oder die Erfüllung der ihm selbst kraft Gesetzes obliegenden Unter- 
haltspflichten gefährdet wird. 
0) Der Beschenkte haftet für die Rückgabe nur nach den Vorschriften 
über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (528 1 Satz 1). 
Beispiele. A. ist 1912 vollständig verarmt und zugleich gänzlich erwerbsunfähig ge- 
worden; für seinen standesmäßigen Unterhalt bedarf er jährlich 3000 Mk.; auch muß er 
seinen minderjährigen gleichfalls mittellosen und erwerbsunfähigen Kindern jährlich an 
Unterhalt 1000 Mk. gewähren; andre Personen, die er zu unterhalten hat, sind nicht vor- 
handen. I. A. hat dem B. 1905 eine goldne Uhr geschenkt, die damals 300 Mk. wert war, 
jetzt aber nur noch 200 Mk. wert ist. Hier kann A. von B. fordern, daß B. ihm die Uhr 
zurückgibt; doch darf B. die Uhr behalten, wenn er dem A. ihren jetzigen Wert mit 200 Mk. 
erstattet. II. Derselbe Fall; nur hat A. dem B. nicht eine Uhr, sondern 20 Aktien ge- 
schenkt, davon jede jetzt 1000 Mk. wert ist. Hier kann A. fordern, daß B. ihm viertel- 
jährlich eine dieser Aktien zurückgibt; doch darf B. die Aktie behalten, wenn er dem A. ihren 
Wert mit 1000 Mk. erstattet. III. Derselbe Fall; nur hat A. dem B. ein Haus geschenkt, 
dessen jetziger Wert 40000 Mk. ausmacht. Hier kann A. fordern, daß B. ihm vierteljährlich 
1000 Mk. in bar zahlt. 
b) Bestand die Schenkung lediglich in einem Schenkungsversprechen, das 
der Schenker dem Beschenkten gegeben, so fällt, wenn der Schenker das Ver- 
sprechen noch nicht erfüllt hat, das Rückforderungsrecht zu a fort. Dafür hat 
aber der Schenker das Recht, mittels Einrede die Erfüllung seines Versprechens 
insoweit zu verweigern, als andernfalls bei Berücksichtigung seiner sonstigen 
Verpflichtungen sein eigner standesmäßiger Unterhalt oder die Erfüllung der 
ihm kraft Gesetzes obliegenden Unterhaltungspflichten gefährdet sein würde 
(519 1). Die zu a, gao—C aufgeführten Einzelregeln sind nicht anwendbar. 
Insbesondre kann die Erfüllung des Schenkungsversprechens nicht bloß wegen 
des Unterhalts für die nächsten drei Monate und sie kann auch von einem 
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