592 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
und endigt alsdann mit dem Ablauf dieser Zeit, ohne daß es einer Kündigung
bedarf.
Beispiele. Ein Darlehn wird „bis zum 1. Juli 1912“ oder „bis der Darlehnsempfänger
eine feste Anstellung bekommt“ oder „auf die Lebenszeit des Empfängers“ gewährt.
2. Es kann aber auch auf unbestimmte Zeit begründet werden. Alsdann
hört es erst auf, wenn eine der Parteien der andern kündigt. Diese Kündigung
ist an die Einhaltung gewisser Fristen gebunden; sie kann nämlich nur er-
folgen: bei Darlehnen, deren Geldwert 300 Mk. übersteigt, mit dreimonatiger,
bei geringeren Darlehnen mit einmonatiger Frist (609 I, II). Daß die Kündi-
gung nur für den Schluß gewisser Kalenderabschnitte zulässig sei, ist (anders
als bei der Miete) nicht bestimmt.
3. Die Zeitbestimmungen zu 1 und 2 sind zunächst nur gegen den Dar-
leiher gerichtet: sie bedeuten, daß der Schuldner vor Ablauf der Zeit zur
Wiedererstattung des Darlehns nicht verpflichtet ist. Sie können aber außer-
dem auch gegen den Darlehnsschuldner wirksam sein und bedeuten alsdann,
daß dieser vor Ablauf der Zeit zur Wiedererstattung des Darlehns weder ver-
pflichtet noch berechtigt ist, d. h. daß der Gläubiger die ihm vom Schuldner
vorzeitig angebotene Rückgewähr des Darlehns zurückweisen darf. Hier ist zu
unterscheiden: bezüglich der vertragsmäßig bestimmten Zeiten (oben zu 1) ver-
bleibt es bei der allgemeinen Regel, daß sie im Zweifel nur gegen den
Gläubiger, nicht gegen den Schuldner wirken (271 II); bezüglich der gesetz-
lich bestimmten Kündigungsfristen (oben zu 2) wird diese Regel auf den
Fall des unverzinslichen Darlehns beschränkt, während bei dem verzinslichen
Darlehn die gesetzlichen Kündigungsfristen auch gegen den Schuldner gelten
(609 III).
Beispiel. A. leiht dem B. 10000 Mk. auf 5 Jahre vom 1. Juli 1910 ab. Hier kann
B., wenn er will, schon am 7. August 1910 kündigen, und zwar für sofort, wenn das Dar-
lehn unverzinslich, für den 7. November 1910, wenn es mit ½% verzinslich ist.
4. Uber vorzeitige Kündigung des Darlehns seitens des Darleihers s. oben IV, 3d, 5.
5. Wird das Darlehn dem Darlehnsschuldner tatsächlich belassen, obschon das Dar-
lehnsverhältnis durch Zeitablauf oder Kündigung beendet ist, so liegt darin (anders als bei
der Miete) eine stillschweigende Verlängerung des Darlehnsverhältnisses im Zweifel nicht.
Das Darlehn kann also fortab jederzeit zurückgefordert werden, ohne daß die Kündigung zu
wiederholen wäre.
6. Die Regeln zu 1—5 können vertragsmäßig beliebig abgeändert werden. Ein Bei-
spiel ist folgende Klausel: die Rückzahlung des Darlehns erfolgt auf Kündigung, die mit
sechsmonatiger Frist für den Schluß jedes Kalenderhalbjahrs beiden Parteien, dem Darleiher
aber nicht vor dem Jahr 1910 zusteht.
VI. Haben die Parteien einen Vorvertrag über die zukünftige Hingabe
eines Darlehns (pactum de mutuo dando) abgeschlossen, so kann der künftige
Darlehnsschuldner nach Maßgabe der Bestimmungen des Vorvertrages auf die
Hergabe des Darlehns klagen. Doch kann der Darleiher von dem Vertrage
zurücktreten, wenn in den Vermögensverhältnissen des Schuldners eine wesent-
liche Verschlechterung eintritt, durch die der Anspruch auf Rückerstattung ge-
fährdet wird (610); war dagegen der Schuldner bereits zur Zeit der Darlehns-