Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

594 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
b) Die Dienstverträge sind entweder dauernd oder nichtdauernd 
(s. 617, 627, 629, 630). Die Unterscheidung ist schwierig. Auf die Länge 
der vereinbarten Dienst- oder Kündigungszeit kommt es jedenfalls allein nicht 
an. Entscheidend ist vielmehr, ob nach Lage des Einzelfalls der Dienst- 
schuldner auf eine längere Dauer des Dienstes rechnen kann. 
Beispiel. „Nicht dauernd“ ist ein Vertrag, bei dem ein Diener „auf sechs Wochen zur 
Aushülfe“, „dauernd“ ein Vertrag, bei dem ein Diener „gegen vierzehntägige Kündigung“ 
angestellt wird. 
II. 1. Gegenstand des Dienstvertrages sind „Dienste“, d. h. Arbeiten aller 
Art (611 II), sofern sie nicht unsittlich, verboten oder unmöglich sind. 
Beispiele. Es gehört hierher ebenso, wenn der Hofmarschall ein Fest leitet, wie wenn 
der Küfer Wein abzieht, ebenso, wenn der Rechtsanwalt Prozesse führt, wie wenn der Tage- 
löhner Teppiche klopft. 
2. Doch sind nach der Art der Dienste verschiedene Arten der Dienst- 
verträge zu unterscheiden. 
a) Dienstverträge, die auf eine Geschäftsbesorgung gerichtet sind 
(675). Was hierunter zu verstehn ist, hat das Gesetz sorglich verschwiegen 
und ist demgemäß überaus bestritten. Wie es scheint, wird man alle Dienst- 
verträge hierher rechnen müssen, bei denen der zu leistende Dienst nach der 
Auffassung der Parteien als ein „Geschäft“, genauer: als ein Geschäft des 
Dienstempfängers behandelt werden soll, so daß für die Ausführung des 
Dienstes im Rahmen der durch Gesetz, Vertrag und Verkehrssitte bestimmten 
Grenzen allein oder doch überwiegend das Interesse des Dienstempfängers 
maßgebend ist und der Dienstschuldner mehr oder minder als Vertrauensmann 
des Dienstempfängers erscheint. Ob der Dienst das Vermögen des Dienst- 
empfängers oder? seine Person oder öffentliche Angelegenheiten oder Ange- 
legenheiten Dritter betrifft, macht nichts aus, wenn nur für die Verpflichtung 
des Dienstschuldners zur Leistung des Dienstes vertragsmäßig das wirtschaft- 
liche oder ideelle Interesse des Dienstempfängers in erster Reihe bestimmend 
sein soll. Ingleichen ist es unerheblich, ob die Dienstleistung in der Vor- 
nahme eines Rechtsgeschäfts oder in Handlungen tatsächlicher Art besteht. 
Beispiele. I. Auf eine Geschäftsbesorgung gerichtet sind die Dienstverträge des Ge- 
sindes, der gewerblichen Arbeiter, des Hausarztes und Hauslehrers, des für eine Prozeß- 
führung bestellten Rechtsanwalts, des für eine Spazierfahrt angenommenen Duoschken- 
kutschers. II. Nicht auf eine Geschäftsbesorgung gerichtet sind die Dienstverträge der Schau- 
spieler (da sie ihre Rolle ebensosehr in ihrem eignen künstlerischen Interesse wie im Inter- 
esse des Theaterunternehmers spielen sollen), der auf eine Forschungsreise ausgesandten 
Gelehrten. 
Für die Richtigkeit meiner Bestimmung des Begriffs Geschäftsbesorgung spricht, daß 
sie durchweg zu befriedigenden Ergebnissen führt und daß ihr auch der allgemeine Sprach- 
gebrauch zur Seite steht. Nur muß man sich dabei klar machen, daß es weniger auf den 
Begriff „Geschäftsbesorgung“ als auf den Begriff „Geschäftsbesorgung für den Dienst- 
empfänger“ ankommt; sonderbar ist freilich, daß das BG#. diese subjektive Beschränkung 
des Begriffs ihrer angenscheinlichen Wichtigkeit ungeachtet zwar im 8 662, nicht aber auch 
in dem hier maßgeblichen § 675 ausdrücklich hervorhebt. 
2) Abw. unfre 4. Aufl. S. 516.
	        
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