Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

598 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
Beispiele. I. Wenn ein Arbeiter einen Vormittag infolge einer unverschuldeten Krank- 
heit oder weil er als Zeuge einberufen ist, keinen Dienst leisten kann, so behält er seinen 
vollen Lohnanspruch, falls sein Dienstvertrag auf ein Vierteljahr, dagegen verliert er einen 
halben Tagelohn, wenn der Vertrag nur für eine Woche galt; denn in ersterem Fall war 
seine Versäumnis verhältnismäßig unbedeutend, im zweiten Fall verhältnismäßig bedeutend. 
II. Wenn ein Fechtlehrer, der es übernommen hat, zwei Studenten in der städtischen Turn- 
halle das Semester hindurch wöchentlich drei Fechtstunden zu geben, eine Stunde ausfallen 
lassen muß, weil die Turnhalle durch ein Turnfest gesperrt ist, so verliert er seinen Lohn- 
anspruch für die Stunde, obschon seine Versäumnis verhältnismäßig unbedeutend war; denn 
der Hinderungsgrund lag ja nicht in seiner Person!? 
Die Regel zu b greift auch dann Platz, wenn die Vergütung des Dienstschuldners ein 
Stücklohn ist (oben S. 595 III 1); es ist alsdann zu ermitteln, wieviel der Schuldner ohne 
die Behinderung verdient haben würde. 
Bekommt der Dienstschuldner für die Zeit der Behinderung eine Entschädigung aus 
einer gesetzlichen Kranken= oder Unfallversicherung, so kommt der Betrag von seiner Dienst- 
vergütung in Abzug (616 Satz 2). 
Besondre Vorschriften für den Fall einer vorübergehenden Behinderung des Dienst- 
schuldners gelten für Handlungsgehülfen und höhere Gewerbegehülfen (HGB. 63, RGew.= 
Ordn. 133 1 ). 
J) Auch in andern Beziehungen kommen die allgemeinen für gegenseitige 
Verträge festgesetzten Regeln auf den Dienstvertrag nur unvollkommen zur An- 
wendung. Insbesondre ist die Regel, daß die Parteien ihre Verpflichtungen 
Zug um Zug zu erfüllen haben, hier so wenig durchführbar wie bei der Miete. 
II. 1. Der Dienstschuldner soll seine Dienste mit aller Sorgfalt verrichten 
und steht dabei auch für geringes Verschulden ein (276). Dagegen ist er da- 
für, daß seine Dienste erfolgreich sind, nicht haftbar. 
Beispiel. Ein Rechtsanwalt, der eine Prozeßführung übernommen, wird gerade ebenso- 
hoch honoriert, wenn er den Prozeß gewinnt, wie wenn er den Prozeß verliert. 
2. à) Er darf bei seiner Dienstleistung nach Maßgabe der Verkehrssitte 
Gehülfen zuziehn und ist nicht selten sogar dazu verpflichtet. Dagegen darf 
er die Dienstleistung nicht ganz und gar einem Vertreter überlassen, es sei 
denn, daß der Dienstempfänger es ihm besonders erlaubt hat (613 Satz 1). 
b) Die Haftung des Dienstschuldners für seine Gehülfen und Vertreter 
folgt den allgemeinen Regeln (278). Sonach greift sie unbedingt Platz, wenn 
der Gehülfe oder Vertreter schuldhaft gehandelt hat, gleichgültig, ob der Dienst- 
schuldner für seine Person unschuldig und zur Zuziehung des Gehülfen oder 
Vertreters wohl berechtigt war oder nicht. Ist dagegen der Gehülfe oder Ver- 
treter schuldlos, so ist der Dienstschuldner nur haftbar, wenn ihm selber ein 
Verschulden zur Last fällt. In diesem Fall ist es auch sehr erheblich, ob er 
den Gehülfen oder Vertreter zuzuziehn berechtigt war. Denn war er es nicht, 
so liegt regelmäßig schon darin, daß er ihn tatsächlich dennoch zugezogen hat, 
ein Verschulden. 
3. Die Dienstleistung wird nur dem im Dienstvertrage bezeichneten Dienst- 
empfänger oder dessen Erben geschuldet. Die Abtretung des Anspruchs au 
die Dienstleistung an dritte Personen ist unzulässig (613 Satz 2). 
  
5) Abw. Endemann 1 § 17428.
	        
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