Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 13. Internationales Privatrecht. 45 
strenger haften als nach deutschem Recht (EG. 12). Hier ist der Analogieschluß, daß auch 
ein Ausländer aus einem in Deutschland begangenen Delikt bei uns nicht strenger hafte als 
nach seinem Heimatsrecht, offenbar unstatthaft.7“ 
Müßte man annehmen, daß die zu a) genannte die Entmündigung von Ausländern 
betreffende Kolissionsnorm des E.s gleichfalls nur auf Mißtrauen gegen das ausländische 
Recht beruhte, so wäre der oben aus ihr gezogene Analogieschluß ½ narürlich ebenfalls un- 
zulässig. Indes beruht diese Norm in Wirklichkeit auf der Erwägung, daß die Entmündigung 
eines in Deutschland wohnhaften Ausländers, wenn sie lediglich seinem Heimatsstaat über- 
lassen wäre, oft zum Nachteil dieses Ausländers verzögert oder ganz verabsäumt werden 
würde. Diese Erwägung paßt nun aber auf einen im Auslande wohnenden Deutschen 
gerade ebenso. Im Vergleich mit dem Nutzen, den ihm eine rechtzeitig erfolgende aus- 
ländische Entmündigung bringen kann, ist der Nachteil, den er im Einzelfall von der Ent- 
mündigung haben mag, gering. 
2. a) Die speziellen Kollisionsnormen stehn zum Teil in vollem Einklang 
mit unserm Prinzip des internationalen Privatrechts. Hierher gehört nament- 
lich die seit Jahrhunderten gewohnheitsrechtlich festgelegte Norm, daß für die 
dinglichen Rechtsverhältnisse der Grundstücke das Realstatut maßgebend ist. 1 
b) In einem andern Teil bedeuten die speziellen Kollisionsnormen eine 
Ergänzung unsres Prinzips, indem sie gewisse Zweifel, die sich bei Anwendung 
des Prinzips ergeben, beseitigen. Hierher gehört vor allem folgende Norm: 
in allen Fällen, in denen das Einführungsgesetz in Übereinstimmung mit unserm 
Prinzip das Personalstatut einer Person maßgebend sein läßt, ist darunter das 
Recht des Staats zu verstehen, dem jene Person in dem maßgebenden Zeit- 
punkt „staatsbürgerlich" angehörte; gehörte sie in diesem Zeitpunkt keinem 
Staat an, so gilt als Personalstatut das Recht des Staats, dem die Person 
zuletzt angehört hatte, oder, wenn sie eine Staatszugehörigkeit nie besessen hat, 
das Recht des Staats, in dessen Gebiet sie in dem maßgebenden Zeitpunkt ihren 
Wohnsitz oder in Ermanglung eines Wohnsitzes ihren Aufenthalt hatte (EG. 29). 
Beispiel. Der deutsche Staatsangehörige D. ist ins Ausland gegangen und hat dort 
seine deutsche Staatsangehörigkeit verloren, ohne dafür eine andre Staatsangehörigkeit zu 
erlangen; nunmehr heiratet er, und es werden ihm drei Söhne F., J. und S. geboren, 
von denen nur der letzte eine Staatsangehörigkeit, die spanische, erwirbt; sodann zieht D. 
mit den drei Söhnen nach Marseille; J. gibt aber später den Marseiller Wohnsig auf, um 
nach Indien zu gehn; D., F. und S. sterben in Marseille, J. während der Reise nach 
Indien in Brindisi. Hier regelt sich die Beerbung des D. nach deutschem, des S. nach 
spamschem, des F. nach französischem, des J. nach italienischem Recht. 
Es kann vorkommen, daß die Person, deren Personalstatut für die Entscheidung 
einer Rechtsfrage maßgebend ist, eine mehrfache Staatszugehörigkeit oder einen mehr- 
fachen Wohnsitz besitzt. Welcher Staatszugehörigkeit oder welchem Wohnsitz alsdann der Vor- 
zug zu geben ist, läßt sich nicht allgemein entscheiden. Beispiele: I. Die Beerbung einer 
Person, die zugleich preußische und französische Staatszugehörigkeit besaß, werden wir nach 
französischem Recht regeln, wenn sein letzter Wohnsitz sich in Frankreich, nach deutschem Recht, 
wenn sein letzter Wohnsitz sich in Deutschland oder England befand. II. Schwieriger ist 
der Fall, daß der Erblasser nicht die preußische und französische, sondern etwa die italienische 
und französische Staatszugehörigkeit besaß und weder in Italien noch in Frankreich, sondern 
steis in Deutschland oder Spanien gewohnt hat. Hler bleibt nichts andres übrig, als so- 
14a) Siehe auch unten bei Anm. 20. 15) Siehe oben bei Anm. 14. 
16) Stobbe 1 § 32 I.
	        
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