Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

644 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
„aufgenommen“ wird. Den Gegensatz bilden Personen, die nur in der mit 
dem Gasthof verbundenen Restauration verkehren oder bloß einen Gast im 
Gasthof besuchen.“ 
Gleichgültig ist, ob die Aufnahme des Gasts auf längere oder kürzere Zeit geschah. 
Wenn also z. B. ein Gast sich die freien Zimmer des Gasthauses zeigen läßt und während 
dessen sein Gepäck in der Portierloge niederlegt, so muß er in dieser Zeit als „aufgenommen“ 
gelten, auch wenn er schließlich keins der ihm gezeigten Zimmer nimmt. 
b) Das „Einbringen“ von Sachen bei dem Gastwirt geschieht dadurch, daß 
der Gast die Sachen entweder dem Gastwirt selbst oder dessen Leuten, sofern 
sie zur Entgegennahme der Sachen bestellt oder nach den Umständen als dazu 
bestellt anzusehn waren, übergibt oder daß der Gast die Sachen an einen von 
diesen Personen angewiesenen oder in Ermanglung einer Anweisung an den 
hierzu bestimmten Ort bringt (701 II). 
Beispiele. 1. Es ist nicht nötig, daß die Sachen in den Gasthof selbst hineingelangen, 
sondern es genügt, wenn sie dem am Bahnhof befindlichen Hausknecht des Gasthofs anver- 
traut oder in den Gasthofomnibus gelegt werden. Ob der Gastwirt oder seine Leute die 
Einbringung genehmigen oder auch nur Kenntnis von ihr erlangen, ist gleichgültig. 5 II. 
Ein Schmucketui, das der Reisende bei seinem Eintritt in den Gasthof versteckt in der Tasche 
trägt, ist in dem Augenblick eingebracht, in dem der Reisende als Gast ausfgenommen wird; 
denn für die Unterbringung von Sachen, die der Gast bei sich trägt, sind sämtliche Räume 
des Gasthauses bestimmt, in denen der Gast selber zu verweilen befugt ist. 
Nicht als „eingebracht“ sind solche Sachen anzusehn, deren Einbringung, wie der Gast 
wissen mußte, der Gastwirt verboten hatte; denn hier fehlt es an einem zur Unterbringung 
der Sachen vom Wirt „angewiesenen“ Raum. Doch folgt hieraus keineswegs, daß der Wirt 
für solche Sachen nicht zu haften hätte: denn es ist selbstverständlich, daß der Gastwirt einem 
Gast, den er einmal aufsgenommen hat, die Einbringung von Sachen nur aus bestimmten 
Gründen verbieten darf: er kann sich also dadurch, daß er die Einbringung der Sachen ohne 
zureichenden Grund verbietet, erst recht haftbar machen. 
Unerheblich ist, ob die eingebrachten Sachen zum Reisegepäck des Gasts zählen. 
Demnach gehören hierher auch z. B. Sachen, die ein Geschäftsreisender auf der Reise ankauft, 
um sie alsbald weiter zu veräußern.“ 
Unerheblich ist auch, ob die Sachen im Eigentum des Gasts stehn. Demnach gehören 
hierher auch z. B. Sachen, die der Gast sich für die Reise geliehen hat.7 
2. Die Einbringung von Sachen bei einem Gastwirt ist nicht als Ver- 
wahrungsvertrag anzusehn. Denn da sie ohne Vorwissen des Wirts und 
auch von einem geisteskranken Reisenden rechtsgültig vorgenommen werden 
kann, braucht sie keinen Vertrag darzustellen. Auch ist sie niemals für sich 
allein, sondern nur im Zusammenhang mit der Aufnahme der Person des 
Gasts wirksam. 
II. Die wichtigste Rechtswirkung der Einbringung ist, daß der Wirt für 
den Verlust und die Beschädigung der eingebrachten Sachen in ungewöhrnlich 
strenger Art haftbar ist. Dies erklärt sich dadurch, daß der Gast außerstande 
ist, selber ausreichend für die Sachen zu sorgen; auch wird der Gastwirt durch 
die Strenge des Gesetzes nicht gar zu hart betroffen, wenn er auf gute Ordnung 
  
4) Langen S. 27. 5) Langen S. 47. 6) Endemann 2 §5 186 21. 
7) Langen S. 49. 
8) Endemann § 1867; abw. Langen S. 63.
	        
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