Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

650 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
Dies ist der Fall, wenn die Übernahme der Geschäftsführung subjektiv dem 
wirklichen oder mutmaßlichen Willen und objektiv dem Interesse des Geschäfts- 
herrn entsprach (683 Satz 1); daß auch der schließliche Erfolg der Ge— 
schäftsführung dem Interesse des Geschäftsherrn gedient hat, ist hier so wenig 
wie bei der vom Geschäftsherrn wirklich genehmigten Geschäftsführung voraus— 
gesetzt. Wäre ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren 
Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht 
des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt worden, so braucht das erste (subjektive) 
der beiden eben genannten Erfordernisse nicht erfüllt zu sein; dagegen muß dem 
zweiten (objektiven) Erfordernis auch in diesem Fall genügt werden (683 Satz 2). 
Beispiele. I. A. bemerkt, daß die Gartenmauer des B. einzustürzen droht; da B. verreist 
ist und keinen Vertreter hinterlassen hat, schickt A. zu dem Maurermeister C.; dieser bessert 
die Mauer auch aus und erhält von A. 30 Mk. dafür; demnächst stürzt die Mauer trotz 
der Ausbesserung infolge einer Überschwemmung ein. Hier kann A. trotzdem von B. Erstattung 
der 30 Mk. fordern. II. Gleicher Fall; nur läßt sich feststellen, daß B. die Mauer sowieso 
abreißen und durch ein Eisengitter ersetzen wollte, weshalb die Ausbesserung seinem Interesse 
nicht diente. Hier hat A., auch wenn er diesen Umstand nicht kannte und nicht kennen 
konnte, einen Anspruch auf Erstattung der 30 Mk. nicht. III. Gleicher Fall; nur war der 
Zustand der Mauer für die im Garten spielenden Kinder des B. lebensgefährlich. Hier 
greift der Ersatzanspruch des A. wieder Platz; denn eine Anderung der Mauer mußte der 
Kinder wegen irgendwie vorgenommen werden; besser wäre es freilich für B. gewesen, wenn 
A. die Mauer hätte einreißen lassen; allein auch die Ausbesserung lag in diesem Fall in 
B.3 Interesse. Ja hier wäre A. sogar ersatzberechtigt, wenn B. sich im voraus jede Ein- 
mischung A.s ausdrücklich verbeten hätte. Dagegen hätte A. einen Ersatzanspruch nicht, 
wenn die Entfernung der Mauer von B. bereits dem D. aufgetragen ist und von diesem 
ohne das Eingreifen des C. rechtzeitig besorgt worden wäre. 
2. Wenn der Geschäftsherr die Geschäftsführung weder genehmigt hat noch 
billigerweise genehmigen sollte, braucht er die Aufwendungen des Geschäfts- 
führers nicht zu erstatten, mag dieser noch so eifrig und gutgläubig gehandelt 
haben. Wohl aber ist er zur Herausgabe der ihm durch die Geschäftsführung 
auf Kosten des Geschäftsführers zugewachsenen Bereicherung verpflichtet (684 
Satz 1). 
3. Sowohl der Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen wie der An- 
spruch auf Herausgabe der Bereicherung fällt fort, wenn der Geschäftsführer 
bei seiner Geschäftsführung nicht die Absicht hatte, Ersatz zu fordern; doch 
muß der Geschäftsherr beweisen, daß diese Voraussetzung erfüllt ist; nur wenn 
Eltern oder Voreltern ihren Nachkommen oder diese jenen Unterhalt gewähren, 
spricht die Vermutung gegen die Absicht, Ersatz zu fordern (685). 
IV. 1. Fassen wir die Regeln zu II und III zusammen, so können wir 
fünf verschiedene Arten der Geschäftsführung unterscheiden, wobei wir der 
Kürze wegen eine Geschäftsführung, die vom Geschäftsherrn weder genehmigt 
ist noch billigerweise genehmigt werden sollte, als „mißlungen“, eine Geschäfts- 
führung ohne die Absicht, Ersatz zu fordern, als „unentgeltlich“ bezeichnen. 
a) Die gelungene entgeltliche Geschäftsführung: der Geschäftsführer ist 
ersatzfrei und kann Erstattung seiner Aufwendungen fordern.
	        
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