660 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
auch erst nach Übernahme der Bürgschaft entstanden sein, namentlich die Ein-
rede der fehlenden Gegenleistung, die Einrede der Verjährung, den Einwand,
daß die Hauptschuld auf einem Wucher= oder Spielgeschäft beruhe, und behält
die Einreden sogar dann, wenn der Hauptschuldner selbst nachträglich auf sie
verzichtet hat (768).5 Doch erleidet diese Regel eine zweifache Ausnahme:
der Bürge kann sich darauf, daß der jetzige Hauptschuldner als Erbe des ur-
sprünglichen Hauptschuldners nur mit Beschränkung auf dessen Nachlaß hafte
oder daß der Hauptschuldner in Konkurs geraten sei und mit den Konkurs-
gläubigern einen Zwangsvergleich abgeschlossen habe, nicht berufen (768 I
Satz 2, Konk Ordn. 193).
b) Ist der Gläubiger befugt, sich durch Aufrechnung gegen eine fällige
Forderung des Hauptschuldners zu befriedigen, so kann der Bürge zwar die
Aufrechnung selbst nicht vornehmen; er kann aber so lange, als das Auf-
rechnungsrecht des Gläubigers besteht, die Erfüllung der Bürgschaftsschuld ver-
weigern (770 Il).
Wenn nicht der Gläubiger, sondern allein der Hauptschuldner aufrechnungsberechtigt
ist, kann der Bürge, so hart dies für ihn ist, sich auf die Aufrechnung gar nicht berufen:
sowenig er das Geld des Hauptschuldners ohne dessen Willen zur Befriedigung des Gläu-
bigers verwenden kann, sowenig kann er mit einer dem Hauptschuldner zustehenden Gegen-
forderung den Anspruch des Gläubigers beseitigen oder auch nur hemmen.
Beispiel. Wenn A. eine fällige Darlehnsforderung gegen B., B. eine fällige Forderung
aus einem vorsätzlich begangenen Delikt gegen A. hat und C. für B., D. für A. die Bürg-
schaft übernimmt, so kann zwar D. sich auf die Gegenforderung des A., nicht aber auch C.
auf die Gegenforderung des B. berufen (s. 393).
c) Ist der Hauptschuldner befugt, das Rechtsgeschäft, auf dem seine Schuld
beruht, anzufechten, so gelten gleiche Regeln wie im Fall b). Der Bürge
kann also die Anfechtung selbst nicht erklären; er kann aber so lange, als das
Anfechtungsrecht des Hauptschuldners besteht, die Erfüllung der Bürgschafts-
schuld verweigern; verwirkt der Hauptschuldner das Anfechtungsrecht durch Frist-
ablauf oder Verzicht, so geht auch die Einrede des Bürgen verloren (770 D.“
3. a) Außer den etwaigen Einreden des Hauptschuldners steht dem Bürgen
eine selbständige Einrede zu, die der Vorausklage (beneficium excussionis).
Der Bürge soll nämlich dem Gläubiger erst in zweiter Reihe, erst hinter dem
Hauptschuldner haftbar sein. Sonach kann er die Erfüllung der Bürgschafts-
schuld verweigern, wenn der Gläubiger nicht zuvor gegen den Hauptschuldner
vorgegangen ist, genauer: wenn der Gläubiger nicht vorher einen vollstreck-
baren Titel gegen den Hauptschuldner erwirkt und kraft dessen eine Zwangs-
vollstreckung gegen ihn ohne Erfolg versucht hat (771).
Besteht die Bürgschaft für eine Geldforderung, so muß die Zwangsvollstreckung in die
beweglichen Sachen des Hauptschuldners an seinem Wohnsitz (wenn der Hauptschuldner an
einem andern Ort eine gewerbliche Niederlassung hat, auch an diesem Ort, in Ermanglung
5) RG. 56 S. 313; Crasemann, Rechte des Bürgen z. Geltendmachung von Einwänden
(Diss. 05).
6) Siehe auch RG. 66 S. 334.