#§s 14. Rückwirkung neuer Gesetze. Übergangsvorschriften. 51
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jewellig geltenden Gegenwartsrecht anzupassen imstande ist. Demgemäß bleibt nichts andres
übrig, als daß die Rechiswirkung jeder Tatsache durch das Recht ihrer Zeit bestimmt wird.
Denn nur, wenn dies geschieht, kann das Publikum diese Tatsache rechtlich zutreffend bewerten
und besonnen zu ihr Stellung nehmen. II. Zuzugeben ist, daß unser Prinzip hier und da
zu unerfreulichen Ergebnissen führt, wie etwa in dem oben S. 50 genannten Beispiel des
Pferdekaufs. Das wird aber niemanden überraschen. Denn wo wäre das Rechtsprinzip,
das in seinen Ergebnissen ausnahmslos befriedigte? Und welch andre Beurteilung jenes
Pferdekaufs wäre erfreulicher? Natürlich, wenn sich nachweisen ließe, daß beide Parteien
übereinstimmend den Kauf entweder dem alten oder dem neuen Recht haben unterstellen
wollen, ließe es sich vielleicht rechtfertigen, dieser Parteiabsicht, auch wenn sie sich nicht zu
einer rechtsgeschäftlichen Parteivereinbarung verdichtet hat, zu folgen und den ganzen Ver-
trag ausschließlich nach altem oder ausschließlich nach neuem Recht zu beurteilen. Wie nun
aber, wenn eine solche bewußte Rücksichtnahme auf das alte oder das neue Recht bei keiner
oder nur bei einer Partei nachweisbar ist oder wenn eine Partei nachweislich nur an das
alte, die andre nur an das neue Recht gedacht hat? Wollte man sich auch in diesem Fall
für die alleinige Anwendung des alten oder des neuen Rechts entscheiden, so müßte man
die Wahl zwischen beiden geradezu durch das Los treffen.
III. Unser Prinzip des intertemporalen Privatrechts beansprucht selbstver-
ständlich bloß subsidiäre Geltung, geradeso wie das Prinzip des internationalen
Privatrechts: es ist unanwendbar insoweit, als für irgendeine Rechtsfrage eine
spezielle Uübergangsvorschrift vorhanden ist.
1. Die wichtigste Quelle der speziellen Übergangsvorschriften ist das Ein-
führungsgesetz zum bürgerlichen Gesetzbuch, dessen ganzer vierter Abschnitt aus-
schließlich Ubergangsvorschriften enthält. Neben ihm kommen vor allem gewisse
Landesgesetze, insbesondre die verschiedenen Ausführungs= und UÜberleitungs-
gesetze zum bürgerlichen Gesetzbuch in Betracht.
2. a) Die speziellen Übergangsvorschriften stimmen zum großen Teil mit
unserm Prinzip des intertemporalen Privatrechts überein und enthalten insoweit
eine willkommene Bestätigung unfres Prinzips. Hierher gehört vor allem
die wichtige Regel des Einführungsgesetzes, daß Forderungen und Faustpfand-
rechte, die vor dem 1. Januar 1900 begründet worden sind, auch nach diesem
Datum unverändert fortbestehn bleiben, also nach wie vor sowohl was ihren
Erwerb als was ihren Inhalt angeht, nach den bisherigen Gesetzen beurteilt
werden (EG. 170, 184).
b) Daneben gibt es aber auch eine sehr große Zahl spezieller ÜUbergangs-
vorschriften, die von unserm Prinzip mehr oder minder erheblich abweichen.
Besonders charakteristisch sind folgende Regeln:
a) Hat jemand vor dem 1. Januar 1900 das Eigentum eines Grundstücks
oder einer Fahrnissache oder eine Hypothek an cinem Grundstück erworben, so
bleibt sein Eigentum oder seine Hypothek auch nach diesem Datum fortbestehn,
aber mit verändertem Inhalt, indem zwar der Erwerb beider Rechte nach
den bisherigen, ihr Inhalt aber nach den neuen Gesetzen beurteilt wird
(EG. 181, 192).
8) Dies tut Habicht S. 166; Affolter S. 127. 9) Dies tut Lehmann S. 85.
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