672 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
gemacht werden wie eine Barzahlung: wer die auf seine angebliche Schuld ge-
leistete Zahlung zurückfordern kann, kann auch das Anerkenntnis dieser angeb-
lichen Schuld widerrufen (812 II)
XX. Der abstrakte Schuldvertrag.“
8 162.
I. 1. Der abstrakte Schuldvertrag oder, wie das Gesetz ihn mit
schwer verständlicher Kürze nennt, das Schuldversprechen, hat zum In-
halt, daß jemand sich zu einer Leistung vertragsmäßig verpflichtet, ohne in
dem Vertrage zugleich den Zweck, den er mit der Übernahme der Verpflichtung
verfolgt, — den sog. Schuldgrund — in rechtswirksamer Weise festzusetzen.
Allerdings verfolgen Schuldner und Gläubiger auch beim Abschluß des abstrakten
Schuldvertrages irgendeinen Zweck. Aber sie lösen den Schuldvertrag von
diesem Zweck los, sie machen ihn mehr oder minder unabhängig von ihm:
der Schuldner verspricht seine Leistung „schlechthin“, und der Gläubiger nimmt
sie „schlechthin“ an.
2. a) Somit stehn die andern in diesem Abschnitt besprochenen Verträge
so verschieden sie auch unter sich sein mögen, sämtlich in scharfem Gegensatz
zu den abstrakten Schuldverträgen. Denn für sie ist die Verknüpfung des
Schuldversprechens mit einem bestimmten vertragsmäßig festgestellten Zweck
geradezu charakteristisch: der Käufer verspricht den Kaufpreis zu dem Zweck,
dadurch den Anspruch auf Lieferung der Kaufsache zu erwerben; der Darlehns-
schuldner verspricht die Zahlung einer gewissen Menge vertretbarer Sachen zu
dem Zweck, um dadurch den Gläubiger zur Hingabe von Sachen gleicher Be-
schaffenheit und gleicher Menge zu bestimmen; der Schenker stellt wenigstens
negativ fest, daß er eine Entgeltleistung des Beschenkten nicht bezwecke. Beim
abstrakten Schuldvertrage läßt der Schuldner dagegen den Zweck seines Ver-
sprechens gänzlich ungewiß.
b) Eine Ausnahme macht der Anerkenntnisvertrag: dieser steht nicht in
Gegensatz zu den abstrakten Schuldverträgen, sondern kann selber zu ihnen gehören.
Denn da, wie wir gesehn haben, der Einwand der Wahrheitswidrigkeit des
Anerkenntnisses ausgeschlossen ist, wird damit der Anerkenntnisvertrag tatsächlich
von seinem angeblichen Schuldgrunde, nämlich dem bisherigen Rechtsverhält-
nis zwischen den Parteien, losgelöst. Doch darf man nicht sagen, daß jeder
Anerkenntnisvertrag einen abstrakten Schuldvertrag darstelle. Würde doch
1) v. Tuhr, z. L. von den abstrakten Schuldverträgen (03); Brütt, die abstrakte For-
derung (08); Stampe, Zitsch. f. Handelsrecht 55 S. 387; Klingmüller ebenda 58 S. 152;
ders., Schuldversprechen u. Schuldanerkenntnis (03); Rümelin, Arch. f. ziv. Pr. 97 S. 211;
Neubecker, Arch. f. BR. 22 S. 34; Wienstein bei Gruchot 48 S. 477.