Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

680 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
der Täter zu ihrer Vornahme ein Recht gehabt hätte " oder die nachträgliche 
Genehmigung seiner Handlung vom Geschädigten hätte fordern können, ist aus- 
geschlossen. Denn niemand darf sein Recht in unsittlicher Art gebrauchen, 
und niemand braucht einen ihm in unsittlicher Art zugefügten Schaden zu ge- 
nehmigen. 
)) Dagegen ist es nicht undenkbar, daß die unsittliche Schädigung eines 
andern ausnahmsweise erlaubt ist, weil sie etwa in Notwehr vorgenommen 
wurde. 
Beispiel. Wenn die A. den betrunkenen B. vorsätzlich tötet, weil sie seine plumpen, 
aber harmlosen Zärtlichkeitsbezeugungen nicht anders abwehren kann (s. auch den Fall oben 
S. 345 Abs. 1), so ist das gegen die guten Sitten, weil das Leben des B. unvergleichlich 
mehr wert war als das Leid, das die A. durch B.s Zärtlichkeiten erdulden mußte. Trotzdem 
liegt hier, sowenig wie ein gewöhnliches Delikt oder eine Schutzgesetzverletzung, sowenig auch 
ein unsittliches Delikt vor. Denn was die B. tat, war erlaubt (226). 
3. Grundverschieden endlich ist bei den drei Deliktsgruppen auch das Er- 
fordernis bestimmt, daß jedes Delikt schuldhaft vorgenommen sein muß. 
a) Bei den gewöhnlichen Delikten genügt als Verschulden jede, also auch eine 
ganz geringe Fahrlässigkeit (823 I). Und zwar muß das Verschulden sich auf 
die Verletzung eines fremden Rechtsguts als solche und auf ihre Unerlaubtheit 
beziehn; daß es auch auf den Schaden gerichtet ist, den der Verletzte durch 
das Delikt erleidet, ist nicht nötig. 
Beispiele. I. Wenn A. nach einer Gesellschaft seine Gummischuhe fahrlässigerweise mit 
denen des B. verwechselt und mit nach Hause nimmt, so ist dies ein Delikt, mag die Fahr- 
lässigkeit auch bloß eine geringe sein (s. oben S. 302 Abs. 1). II. Wenn C. als auftragloser 
Geschäftsführer des D. eine diesem gehörige Sache an E. veräußert, weil er sich irrtümlich 
einbildet, die Veräußerung liege im Interesse des D. und entspreche auch seinem Willen, so 
ist dies kein Delikt, falls der Irrtum C.##durch die Umstände gerechtfertigt war und also 
nicht als schuldhaft anzusehn ist. 25 III. 1. Wenn F. dem G. heimlich ein Buch fortnimmt, 
um es schnell zu lesen und sofort wiederzubringen, so ist dies ein Delikt auch dann, wenn 
F. mit Recht annahm, das Buch sei in der Zwischenzeit bei ihm viel besser aufgehoben als 
bei G. und werde auch von G. gar nicht vermißt werden, die Wegnahme des Burchs sei 
also für G. unschädlich. 2. Anders, wenn F. ohne Fahrlässigkeit annahm, G. werde nach- 
träglich seine Genehmigung erklären:; denn dann hat F. gewissermaßen als Geschäftsführer 
des G. für diesen in seine eigne Handlung im voraus eingewilligt, und damit ist ein Ver- 
schulden auf seiner Seite ausgeschlossen, auch wenn G. später tatsächlich die Genehmigung 
verweigert.20 
Die Frage, ob jemandem ein leichtes Verschulden zur Last fällt, ist nur nach den Um- 
ständen des Einzelfalls zu entscheiden. Denn nur von diesen hängt es ab, welches Maß der 
Sorgfalt jener anzuwenden hatte. — Beispiel. A., der sich im Zimmer des B. befindet, zerbricht 
durch eine ungeschickte Bewegung ein auf dem Tisch stehendes Weinglas. Hier ist die Frage, 
ob dem A. ein Verschulden zur Last fällt, sehr verschieden zu beantworten, je nachdem A. 
sich bei B. als dessen eingeladener Gast oder als Bote, der ihm eine Bestellung auszurichten 
hatte, oder zu Zwecken eines Diebstahls befand. 
b) Bei den Schutzgesetzverletzungen ist zu unterscheiden: 
a)Wenn das verletzte Schutzgesetz selber bei Vornahme der von ihm verbotenen 
  
24) RG. 55 S. 372. Vgl. 67 S. 152. 25) Siehe R. 68 S. 437. 
26) Siehe Zitelmann a. a. O. S. 129.
	        
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