Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

684 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
verletzt. 2. E. hat ein Pferd, das der Eigentümer F. dem G. verkauft, aber noch nicht 
übereignet hatte, fahrlässig beschädigt: das Pferd hat in der Hand des G. einen viel höheren 
Wert als in der des F., da es mit drei andern Pferden des G. ein besonders schönes Vier- 
gespann abgibt (s. den Fall oben S. 405). Hier ist ersatzberechtigt nicht bloß F., sondern, 
wenn der Verkauf dem E. bekannt war oder bekannt sein mußte, auch G.; denn E. hatte 
durch seine Tat zugleich das Eigentum des F. und das Käuferrecht des G. verletzt. Anders 
natürlich die herrschende Meinung, die ja eine Verletzung von Forderungsrechten durch Dritte 
nicht als gewöhnliches Delikt anerkennt (s. oben S. 676 5). 3. J. setzt fahrlässig ein dem K. 
gehöriges Möbel, das dieser bei L. gegen Feuer versichert hatte, in Brand. Hier ist ersatz- 
berechtigt nur K., nicht L., auch wenn J. gewußt hat, daß die Sache bei L. versichert war. 
Denn die Handlung J.s ist ein Delikt nur gegenüber K., nicht auch gegenüber L., weil 
gegenüber K. fahrlässige Sachbeschädigung, gegenüber L. fahrlässige Schädigung des Ge- 
samtvermögens vorliegt. II. M. verführt die unbescholtene noch nicht sechzehnjährige N. zur 
Unzucht: die Folge ist, daß der Bräutigam einer Schwester der N. sein Verlöbnis auflöst, 
weil er nicht mit einer Dirne verschwägert sein will. Hier ist ersatzberechtigt nur die N. 
selbst, nicht auch ihre Schwester. Denn das Schutzgesetz, das die Verführung von Mädchen 
verbietet, will nur die unmittelbaren Opfer der Verführung schützen, nicht auch ihre Familie. 
III. O. veranlaßt durch erlogene Angaben den P., sein Geschäft aufzulösen, weil er einen 
Prozeß mit P. verloren hat und sich rächen will; dadurch wird sowohl P. wie sein ganzes 
Personal schwer geschädigt. Hier ist ersatzberechtigt nur P. selbst, nicht auch sein Personal. 
Denn der böse Vorsatz des O. galt ja nur dem P. 
3. Der Inhalt der Schadensersatzpflicht bestimmt sich nach für den Schadens- 
ersatz maßgebenden allgemeinen Normen (s. oben S. 381). Doch greifen zwei 
Sonderregeln Platz. 
a) Ist das Delikt gegen die Person des Ersatzberechtigten gerichtet, so 
kann dieser auch Ersatz für die Nachteile fordern, die das Delikt für seinen 
Erwerb oder sein Fortkommen herbeiführt (842). 
Diese Regel ist übrigens ihrem Inhalt nach gar keine Besonderheit des Deliktsrechts, 
sondern ergibt sich schon aus den allgemeinen Normen des Schadensersatzrechts. 
b) Der Schadensersatzanspruch ist einer besondern, bereits früher erörterten 
Verjährung unterworfen (s. oben S. 317b, 3206, 321 202). 
4. Wird jemand aus einem Delikt auf Schadensersatz belangt, so muß ihm 
im Streitfall nachgewiesen werden, daß das Delikt wirklich begangen und er 
als Täter oder wie ein Täter dafür haftbar ist. Doch wird diese Beweis- 
führung durch einige gesetzliche Vermutungen wesentlich erleichtert. 
a) Wird in der oben S. 683 erwähnten Art ein Delikt von einem Geschäfts- 
führer verübt, so spricht die Vermutung dafür, daß dem Geschäftsherrn und den 
etwa zwischen den Geschäftsherrn und den Geschäftsführer eingeschobenen Mittels- 
personen eine Mitschuld zur Last fällt; nicht ihnen braucht ihre Mitschuld nach- 
gewiesen zu werden, sondern ihre Sache ist es, ihre Nichtschuld zu beweisen 
(831). Eine analoge Vermutung gilt bei einem Delikt, das von einer aufsichts- 
bedürftigen Person vorgenommen ist, zuungunsten des Aufsichtsführers (832). 
Beispiele. I. 1. Der Apotheker A. verschickt die von ihm verkauften Arzeneien an seine 
Kunden durch seinen Diener B. auf einem Fahrrade; bei einer derartigen Besorgung stößt 
B. durch eignes Ungeschick mit C. zusammen und verletzt ihn schwer. a) Hier ist keine Rede 
6) Ortmann, Berliner Festschr. f. Dernburg S. 61. 
7) Planck zu § 842.
	        
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