Strafrecht. 49
III. Abtreibung (Fs 218—220 StEB.). Die Frucht, d. h. das menschliche Lebe-
wesen bis zu dem Augenblick der extrauterinalen Atmung kann infolge seiner unselbständigen
Eristenz nicht Träger eines Rechtsgutes sein. Die Abtreibung muß daher als ein Verbrechen
gegen die Schwangere, deren Gesundheit und Leben dadurch aufs Spiel gesetzt wird, erscheinen.
Sie umfaßt nicht nur die Bewirkung vorzeitiger Ausstoßung, sondern auch die Töüung im
Mutterleib, da gerade auch die letztere Handlung der Schwangeren Gefahr bringt. Die Ab-
treibung einer bereits abgestorbenen Frucht ist dagegen nicht so sehr Erregung als vielmehr
Beseitigung einer Gefahr, kann darum als strafbar nicht erachtet werden. Die Strafe trifft
sowohl die Schwangere als auch dritte Personen, die mit und ohne deren Willen die Abtreibung
vornehmen.
IV. Zweikampf (# 201—210 StG.). Dieser bedeutet ein Aufsspielsetzen von
Leib und Leben und beansprucht deshalb seine systematische Stellung unter den Gefährdungs-
delikten. Er setzt ein Kämpfen unter zwei Personen voraus, unter mehreren würde Rauf-
handel sein. Kämpfen bedeutet ein emstgemeintes Ringen, ein gegenseitiges Einsetzen von
Kraft und Gewandtheit. Daher fällt nicht nur das amerikanische Duell, sondern auch das
Scheinduell, bei dem von vornherein vereinbart ist, daß keiner den anderen verletzen soll, außer-
halb des Begriffes des Zweikampfes. Aber auch nicht jeder ernstgemeinte Kampf unter zweien
gehört hierher. Man verbindet mit der Bezeichnung Zweikampf, für das „Duell“ synonym
ist, den Gedanken, daß der Kampf nach hergebrachten Regeln stattfindet. Zu diesen gehört
der Gebrauch einer Duellwaffe. Solche braucht an sich keine tödliche Waffe zu sein. Das
Strafgesetz hat aber, wie aus § 201 hervorgeht, nur den Zweikampf mit tödlichen Waffen unter
Strafe gestellt. Demgemäß muß die Duellwaffe zur Beibringung tödlicher Wunden geeignet
und bestimmt sein. Die studentischen Schläger haben bei den Schutzmaßregeln, unter denen
sie benutzt werden, nicht die Bestimmung, tödliche Verletzungen zuzufügen. Darum erscheinen
die Reichsgerichtsentscheidungen, nach welchen die studentische Schlägermensur unter das Gesetz
fällt, nicht einwandfrei.
Der Zweikampf ist vollendet, sobald einer der Duellanten von der Waffe Gebrauch ge-
macht hat. Der Versuch, wie z. B. Zielen nach dem Gegner, ist nicht strafbar. Die Beur-
teilung der Vorbereitungs- und Teilnahmehandlungen richtet sich nach den allgemeinen Regeln.
Aber gewisse Vorbereitungshandlungen (Herausforderung, Annahme 3§§ 201 f.) und gewisse Teil-
nahmehandlungen (ein Fall der Beihilfe: Kartelltragen § 203; ein Fall der Anstiftung: Anreizung
zum Zweikampf § 210 StGB.) sind als delicta sui generis unter besondere Strafe gestellt.
V. Raufhandel, d. i. der Kampf unter mehreren, insbesondere die Schlägerei (§§ 227 f.
StGB.). Selbstwerständlich ist jeder Raufhändler für die Verletzung, welche er verursacht,
verantwortlich. Aber der Beweis der Täterschaft ist schwer zu führen. Wollte man die Be-
strafung von einem strikten Beweis derselben abhängig machen, so müßte man in den meisten
Fällen auf sie verzichten. Zur Vermeidung dieser Konsequenz wird schon die bloße schuldhafte
Beteiligung am Raufhandel unter der Bedingung gestraft, daß durch ihn eine schwere oder
tödliche Verletzung irgendeiner Person bewirkt wurde. Läßt sich der Urheber dieser Verletzung
ermitteln, so verfällt er der Strafe der Körperverletzung oder Tötung. Führt die Verletzung
auf mehrere Personen zurück, so erhalten diese besondere Strafen, und zwar auch dann, wenn
sie nach den allgemeinen Grundsätzen über Ursache und Wirkung nicht als Urheber in Betracht
kommen könnten.
§ 30. Verbrechen gegen die persönliche Freiheit.
Die persönliche Freiheit als Rechtsgut ist nicht Freiheit des Willens, sondern der Willens-
betätigung. Ein gegen sie gerichtetes Delikt besteht demgemäß entweder in Beschränkung oder
in Entziehung der Möglichkeit freier Bewegung.
a) Freiheitsbeschrünkung.
Das typische Delikt der Freiheitsbeschränkung ist die Nötigung (5 240 StGB.). Sie
erscheint als Zwang zur Vornahme einer nicht gewollten oder zur Unterlassung einer gewollten
Handlung. Zu letzterem gehört auch der Zwang zur Duldung einer Handlung, insofern er
Enzvilopädle der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band V. 4