Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

696 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
6) zweitens, wer zur Zeit des Einsturzes entweder die Unterhaltung des 
Gebäudes für den Eigenbesitzer vertragsmäßig übernommen hatte oder vermöge 
eines ihm zustehenden Nutzungsrechts zur Unterhaltung des Gebäudes ver- 
pflichtet war (s. 838); 
y) drittens, wer das Gebäude im letzten Jahr vor dem Einsturz in seinem 
Eigenbesitz hatte oder es in dieser Zeit kraft Vertrages oder Nutzungsrechts 
unterhalten mußte (s. 836 II, 838). 
b) Als Täter gilt jede der zu a genannten für das Gebäude verantwort- 
lichen Personen so lange, bis sie für sich den Entlastungsbeweis führt, daß 
sie zur Abwendung der Gefahr die im Verkehr übliche Sorgfalt beobachtet 
hat; dem vormaligen Eigenbesitzer oder Unterhaltspflichtigen (a ?)) wird außer- 
dem auch der Entlastungsbeweis nachgelassen, daß die Gefahr von einem 
späteren Besitzer durch Anwendung der verkehrsüblichen Sorgfalt hätte abge- 
wendet werden können; seine Haftung ist also eine bloß ergänzende 
(s. 836, 838). 
c) Hiernach unterscheidet sich der Tatbestand des Sonderdelikts von dem 
Tatbestande aller bisher besprochenen Delikte vor allem dadurch, daß zu den 
Tatbestandsstücken nicht eine positiv nachgewiesene Schuld, sondern nur negativ 
die nicht nachgewiesene Schuldlosigkeit des Urhebers gehört. 
Beispiel. A. ist am 1. Dezember 1909 durch den Einsturz eines Stalls schwer verletzt; 
der Stall ist Frühjahr 1909 vom Baumeister B. für den damaligen Eigentümer C. gebaut, 
im April 1909 samt dem Landgut, zu dem er gehört, von C. an D. veräußert und seit 
1. Juli 1909 an E. verpachtet; E. wohnt aber nicht auf dem Gut und hat deshalb dessen 
ganze Verwaltung dem Inspektor F. übertragen. Hier kann A. sich an den Baumeister B. 
nur halten, wenn er ihm ein Verschulden nachweist; dagegen sind ihm C., D., E. und F. 
auch ohne solchen Beweis als Gesamtschuldner haftbar, ein jeder freilich nur so lange, als er 
sich nicht „#exkulpiert". 
Besitzt jemand auf einem fremden Grundstück in Ausübung eines Rechts ein Gebäude, 
so soll bei dessen Einsturz statt des Eigenbesitzers des Grundstücks er selber haftbar sein (837). 
Doch ist hierbei nur an den Fall zu denken, daß das Gebäude nicht als Bestandteil des 
Grundstücks gilt, auf dem es steht (s. 95 1 Satz 2), also etwa an den Fall, daß A. das 
eingestürzte Gebäude auf dem Grundstück B.s kraft Erbbaurecht errichtet, nicht aber an den 
Fall, daß C. ein auf D.s Grundstück stehendes Gebäude zur Alleinbenutzung gemietet hat; 
demnach ist im ersten Fall nur A., im zweiten Fall nur D. (oder D. und C.) haftbar.1 
Freilich läßt der Wortlaut der Vorschrift diese Einschränkung nur sehr undeutlich erkennen. 
Uber das Rückgriffsrecht der oben genannten Personen gegen einen Dritten, der nach- 
weislich die Schuld an dem Einsturz trägt, siehe 840 III. 22 
2. Analoge Regeln gelten, wenn Unfälle durch den Einsturz nicht eines 
Gebäudes, sondern eines andern mit einem Grundstück verbundenen „Werks"“ 
oder nicht durch den Einsturz des Gebäudes oder andern Werks, sondern durch 
Ablösung von Gebäude= oder Werkteilen entstehn (836—838).2“ 
Beispiel. Der Hut des A. wird dadurch beschädigt, daß ihm vom Hausdach des B. 
ein Ziegel auf den Kopf fällt oder jemand aus einem Fenster des Hauses einen Wasserkrug 
ausgießt. Hier ist B. wegen des Ziegels ohne weiteres haftbar, wenn er sich nicht exkulpieren 
21) R. 59 S. 9. 22) Siehe N. 53 S. 115. 23) RG. 60 S. 139. 
24) NG. 52 S. 238.
	        
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