698 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
1. Auf eine solche Handlung kommen grundsätzlich sämtliche deliktrechtliche
Regeln zur Anwendung, also die Regel, daß der unzurechnungsfähige Täter
(829), ebenso aber auch der Anstifter und die Gehülfen der Tat, mögen sie ihrer-
seits gleichsalls unzurechnungsfähig sein oder nicht, als Gesamtschuldner dem
Verletzten zu Schadensersatz verpflichtet sind, ferner die Regeln über die Haf-
tung des Geschäftsherrn und der aufsichtspflichtigen Personen, sodann die Regeln
über die abgekürzte Verjährung der deliktmäßigen Ansprüche usw.
Die Richtigkeit des Satzes zu 1 folgt einfach daraus, daß die Vorschriften des BGB.s
über die Schadensersatzpflicht der unzurechnungsfähigen Personen mitten in den Abschnitt
gestellt sind, der von den Delikten handelt.
Ist der Satz zu 1 richtig, so ist weiter anzunehmen, daß in dem Tatbestand der
von einem Unzurechnungsfähigen begangenen deliktähnlichen Handlung das Merkmal der
Schuld (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) nicht ganz gestrichen, sondern nur soweit umgewandelt
werden darf, daß es auch auf unzurechnungsfähige Personen paßt.: Beispiel: ein Geistes-
kranker ist haftfrei, wenn er eine fremde Sache zertrümmert, weil er sie, von einem andern
plötzlich erschreckt, fallen läßt oder weil er sie ohne Fahrlässigkeit für seine eigne hält.
2. Doch gelten zugunsten des Unzurechnungsfähigen, nicht aber auch
zugunsten der neben ihm haftenden zurechnungsfähigen Personen folgende
Sonderregeln (829):
a) Er haftet nur insoweit, als von einem aufsichtspflichtigen Dritten kein
Ersatz zu erlangen ist.
b) Er haftet nur insoweit, als es nach den Umständen, insbesondre nach
den Verhältnissen der Beteiligten, als billig erscheint.
J) Er haftet nur soweit, daß ihm noch die Mittel verbleiben, deren
er zum eignen standesmäßigen Unterhalt sowie zur Erfüllung seiner gesetzlichen
Unterhaltspflichten bedarf.
Beispiel. Die Geisteskranken A., B., C. sind ihrem Wärter entlaufen; D. stellt sie;
eine Schlägerei entsteht; ein vierter gleichfalls entsprungener Kranker E. kommt hinzu, glaubt
seine Kameraden angegriffen und schlägt auch drein: D. wird schwer verwundet. Er wünscht,
da vom Wärter nichts zu holen ist, von den Kranken Ersatz seiner Kurkosten. Nun besitzt A.
nichts; B. ist zwar vermögend, war aber früher General und braucht alle seine Einnahmen
für sich und seine große Familie; auch E. kommt frei, weil man ihm sein Eingreifen über-
haupt nicht übelnehmen kann; so muß C., der etwas Geld hat, zum Glück nur Barbier war
und keine Familie besitzt, allein zahlen. Doch entspricht es der Billigkeit, daß er bloß ½/ der
ganzen Rechnung ersetzt. Und sollte D. reich sein oder hat er sich bei dem Streit, wenn auch
nicht schuldhaft, so doch unpassend benommen, so werden wir billigerweise den C. noch weniger
belasten oder ganz entlasten.
Eine weitere Beschränkung ist, daß der Unzurechnungssähige anscheinend nur für solche
Handlungen haftet, die, wäre er zurechnungsfähig, Delikte nach BGB. 823—826 wären
(s. 829). Für Unsälle, die dadurch entstehn, daß ein in seinem Eigenbesitz befindliches Haus
einstürzt (Delikt nach BGB. 836), wäre er also anscheinend nicht haftbar.
3. Daß unzurechnungssähige Personen für den von ihnen angerichteten Schaden haften
sollen, beruht auf dem Gedanken, daß eine solche Schädigung den Urheber ebenso angeht wie
den Verletzten: jener hatte das Unglück, den Schaden anzurichten, dieser hatte das Unglück,
ihn zu erleiden. So sind beide in eine Gemeinschaft des Unglücks hineingeraten. Als treue
Genossen müssen sie nach Maßgabe ihrer Verhältnisse den Schaden unter sich teilen.
2) Heinsheimer a. a. O. S. 253. Abw. Höchster ebenda 104 S. 427.