Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

700 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist (s. oben S. 697), eine Regel, 
die erst nachträglich durch RGes. vom 30. Mai 1908 in das bürgerliche 
Gesetzbuch eingeschoben ist. 
Beispiel. A. wird von dem Jagdhunde des B. gebissen; der Hund ist sonst nicht im 
mindesten bissig und ist von B. stets gut gehalten worden. Hier ist B. haftfrei, wenn er 
berufsmäßiger Jäger oder Hundezüchter, nicht aber, wenn er nur Sportjäger ist. 
e) Vorausgesetzt ist fünftens, daß die Anrichtung des Schadens, wäre sie 
von einem Menschen ausgegangen, unerlaubt gewesen wäre. 
Beispiel. Die Luxushunde des A. und B. geraten in Kampf und verletzen sich gegen- 
seitig. Hier ist derjenige Herr haftfrei, dessen Hund sich in Notwehr befunden hat. 
1) Nicht vorausgesetzt ist dagegen, daß dem Tierhalter oder seinen Ge- 
hülfen oder Vertretern irgendein Verschulden bei der Anrichtung des Schadens 
zur Last fällt. Selbst, daß der Tierhalter beweisen kann, er und seine Leute 
hätten den Schaden weder voraussehn noch verhindern können, ist un- 
erheblich. 1 
Beispiel. A. haftet, wenn sein Luxushund toll wird, für allen Schaden, den der Hund 
anrichtet, auch wenn die Tollwut viel plötzlicher und mit ganz andern Symptomen aufge- 
treten ist, als sie es sonst zu tun pflegt, und ein Tierarzt, der von A. wegen des veränderten 
Benehmens des Hundes konsultiert wurde, das Tier ausdrücklich für gesund erklärt hatte. 
2. a) Ist der zu 1 bestimmte Tatbestand gegeben, so ist der Tierhalter 
für den Schaden, den das Tier während der Zeit, da er es hielt, angerichtet, 
nach Deliktsgrundsätzen verantwortlich (833). Mehrere Tierhalter haften also 
als Gesamtschuldner; ist durch das Tier ein Mensch getötet, so sind ersatz- 
berechtigt nicht die Erben als solche, sondern namentlich diejenigen, die der 
Getötete kraft Gesetzes zu unterhalten verpflichtet war; die Ersatzansprüche ver- 
jähren in drei Jahren usw. 
b) Doch erleiden die Deliktsgrundsätze einige wichtige Abänderungen. 
a) Daß der Tierhalter bei Eintritt des Schadens unzurechnungsfähig 
war, ist auf seine Haftung ohne Einfluß, 15 wenn er nur zurechnungsfähig war, 
als er das Tier in Besitz nahm, oder die Besitznahme durch seinen gesetzlichen 
Vertreter oder mit dessen Genehmigung geschah. 
65) Der Satz, daß die Haftung eines Deliktschuldners durch ein mit- 
wirkendes Verschulden des Verletzten ausgeschlossen oder abgeschwächt werden 
kann (254), ist hier, wo der Tierhalter ohne Rücksicht auf sein eignes Ver- 
schulden haftbar ist, dahin abzuändern, daß seine Haftung auch durch eine 
schuldlose Mitwirkung des Verletzten ausgeschlossen oder abgeschwächt werden 
kann. 1 Ja es ist weiter anzunehmen, daß die Haftung des Tierhalters fort- 
fällt, wenn der Verletzte sich der Schädigung durch das Tier auf eigne Gefahr 
ausgesetzt hat. 15 
Beispiel. Rentner A. macht eine Spazierfahrt und hat den bei ihm als Gast wohnenden 
12) R. 54 S. 409. 
13) Litten S. 137. Abw. Endemann § 2027 u. unfre 4. Aufl. S. 618. 
14) Abw. R . 54 S. 408. 15) Siehe RG. 58 S. 410, 61 S. 55, 65 S. 313.
	        
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