Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

714 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
der Absicht des Briefstellers rechtlich bedeutungslos zu sein; also sind sie (regelmäßig) keine 
„Urkunden“. 2. Ebensowenig kann, wer ein Haus kaufen will, Vorlegung der Briefe fordern, 
die der Hauseigentümer mit andern Kaufliebhabern ausgetauscht hat; diese Briefe sind frei- 
lich Urkunden, sind aber weder im Interesse des ersten Kaufliebhabers errichtet noch ihm 
und den andern Liebhabern gemeinschaftlich. 
2. Hat der Berechtigte nur ein Interesse an der Einsicht in einen Teil 
der Urkunde, so kann er auch nur die Einsicht in diesen Teil fordern. 
XXV. Rüchblick auf das bisherige Recht. 
5l 169. 
I. 1. a) Die Gefahr der Kaufsache ging nach altdeutschem Recht mit der 
Übergabe oder, wenn der Verkäufer die Sache dem Käufer zusenden sollte, mit 
der Absendung auf den Käufer über. 1 
b) Dagegen ließ seit der Rezeption das bisherige gemeine Recht die Ge- 
fahr auf den Käufer übergehn: beim unbedingten Kauf einer individuell be- 
stimmten Sache sofort mit dem Kaufabschluß, beim aufschiebend bedingten 
Kauf einer individuell bestimmten Sache mit dem Eintritt der Bedingung; 
wann die Gefahr beim Kauf von Gattungssachen auf den Käufer überging, 
war Gegenstand einer jener berühmten, für das bisherige gemeine Recht 
charakteristischen Kontroversen. ? 
Ic) Von den neueren Gesetzbüchern folgte im wesentlichen das preußische 
Landrecht dem altdeutschen, der code civil und das sächsische Gesetzbuch dem 
bisherigen gemeinen Recht.s Ob und inwieweit nach preußischem Recht seit 
der Grundbuchgesetzgebung von 1872 beim Grundstückskauf an die Stelle der 
Übergabe des Grundstücks die Eintragung des Käufers im Grundbuch getreten 
war, ist nicht zweifellos.“ 
2. aà) Nach bisherigem gemeinen, französischen und sächsischen Recht war 
der Verkäufer nicht verpflichtet, dem Käufer das Eigentum der Kaufsache zu 
verschaffen, sondern hatte nur dafür einzustehn, daß der Käufer, wenn er ihm 
das Eigentum nicht verschaffte, dadurch keinen Nachteil erlitt; die Folge war 
z. B., daß der Verkäufer, der eine einem Dritten gestohlene Sache verkauft 
und dem Käufer übergeben hatte, haftfrei war, wenn die Sache, ehe der Dritte 
sie „evinzierte", unterging.* Dagegen legte das preußische Landrecht, wie das 
bürgerliche Gesetzbuch, dem Verkäufer die positive Pflicht auf, den Käufer zum 
Eigentümer der Kaufsache zu machen.“ 
1) Stobbe-Lehmann 3 F 231, 6. 
2) Dernb. 2 § 96; Hofmann, perieulum beim Kauf (70). 
3) Pr. LR. I, 11 §§ 95, 128; c. c. 1138; sächs. GB. 866. 
4) Dernb., pr. PrR. 2 § 138°5. 
5) Windscheid §§ 389, 391: Förtsch S. 246; sächs. GB. 1082, 930 ff. 
6) Pr. LR. I, 11 8§§ 1, 135, 136.
	        
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