Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

Zweiter Abschnitt. 
Die Rechte. 
I. Begriff.1 
8 16. 
I. Die Regeln des bürgerlichen Rechts greifen in das Leben der Menschen, 
zu dessen Ordnung sie beitragen wollen, hauptsächlich dadurch ein, daß sie 
einzelnen Personen eine besondre Machtstellung gewährleisten. Eine solche 
durch eine Regel des bürgerlichen Rechts gewährleistete Machtstellung benennt 
man mit demselben Namen, mit dem man auch die Regel selbst bezeichnet: 
man nennt sie Recht. Will man genauer sein, so nennt man sie fub- 
jektives Recht und stellt ihr die Rechtsregel als das objektive Recht 
gegenüber. 
Beispiele. I. In dem Satz „das deutsche Erbrecht kennt kein Pflichtteilsrecht der Ge- 
schwister“ bedeutet die Silbe Recht das erste Mal objektives, das zweite Mal subjektives Recht. 
II. Das Wort „,rechtswidrig“ ist zweideutig: es kann sowohl bedeuten „dem objektiven Recht 
zuwider“ wie „einem subjektiven Recht zuwider“. 
II. 1. Das subjektive Recht ist eine dem Berechtigten vom objektiven 
Recht gewährleistete Machtstellung. Das will besagen: die Machtstellung 
einer Person ist nicht schon dann ein subjektives „Recht“, wenn sie ihr vom 
objektiven Recht eingeräumt, sondern erst dann, wenn sie ihr als etwas ihr 
gebührendes fest versprochen ist: der Berechtigte muß sich auf den Bestand 
seiner Macht verlassen können. 
2. a) Demgemäß ist die rein formale Verfügungsmacht, die das bürger- 
liche Gesetzbuch in mehreren praktisch sehr bedeutsamen Fällen einem „Nicht- 
berechtigten“ einräumt (s. 135 II), zwar eine Rechtsmacht, aber kein echtes 
Recht: denn sie ist dem „Nichtberechtigten“ vom objektiven Recht zwar gewährt, 
aber mitnichten gewährleistet. Wir wollen diese Rechtsmacht deshalb, da sie 
immerhin eine gewisse Ahnlichkeit mit bestimmten echten Rechten hat, als 
Scheinrecht bezeichnen. Hierher gehört vor allem: 
1) Seckel, Gestaltungsrechte, in der Festgabe der jur. Gesellsch. zu Berlin für R. Koch 
(03); Sohm, der Gegenstand (05); ders. im Arch. f. BR. 28 S. 173.
	        
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