§ 16. Echte Rechte. Scheinrechte. 57
a) das Scheinrecht dessen, der im Grundbuch fälschlich als Eigentümer
eines fremden Grundstücks eingetragen ist (892);
# das Scheinrecht dessen, der eine fremde Fahrnissache zu Unrecht wie
ein Eigentümer in Besitz hat (932);
)) das Scheinrecht dessen, der nach dem Tode eines andern durch einen
Erbschein fälschlich als dessen Erbe benannt ist (2366).
b) Ebensowenig ist ein echtes Recht die Aussicht, die das Gesetz jemandem
eröffnet, dereinst beim Tode eines Verwandten dessen gesetzlicher Erbe zu
werden oder einen Pflichtteil aus dessen Nachlaß fordern zu können. Denn
auch diese Aussicht ist ihm, solange der Verwandte noch am Leben ist, keines-
wegs gewährleistet.
c) Aus demselben Grunde ist kein Recht die Geschäftsfähigkeit, d. h. die
Fähigkeit einer Person, selbständig Rechtsgeschäfte vorzunehmen, die Ehe-
mündigkeit, d. h. die Tatsache, daß eine Person das für die Eheschließung
vorgeschriebene Mindestalter erreicht hat usw.
3. a) Daß das objektive Recht die in dem subjektiven Recht enthaltene
Machtstellung dem Berechtigten nicht bloß einräumt, sondern gewährleistet,
tritt besonders deutlich hervor, wenn ein subjektives Recht im öffentlichen
Interesse aufgehoben werden soll. Es gilt nämlich alsdann der Grundsatz,
daß der Inhaber des aufgehobenen subjektiven Rechts wenigstens eine Ent-
schädigung in Geld erhält.
b) Dagegen darf man hierher nicht auch die oft ausgesprochene Regel
ziehn, daß subjektive Rechte, die unter der Herrschaft eines alten Gesetzes
gültig begründet sind (wohlerworbene Rechte, jura quaesita), durch etwaige
neu in Kraft tretende Gesetze grundsätzlich nicht beeinträchtigt werden. Denn
diese Regel ist lediglich eine Folge des allgemeinen Prinzips, daß neue
Gesetze keine rückwirkende Kraft haben; und dies Prinzip ist durchaus nicht
auf den Fall beschränkt, daß unter der Herrschaft der alten Gesetze subjektive
Rechte begründet worden sind, sondern gilt gerade ebenso auch dann, wenn es
sich darum handelt, daß unter der Herrschaft der alten Gesetze subjektive Rechte
erloschen sind, daß unter der Herrschaft der alten Gesetze eine dauernde Ver-
mutung in Kraft getreten ist usw.
Beispiele. I. Dem A. wird dadurch ein großer Vermögensschaden zugefügt, daß eine
öffentliche Straße, die an seinem Grundstück vorbeiführte, verlegt wird. Hier kann A.
Schadensersatz nur fordern, wenn seine Befugnis zur Benutzung der Straße ein subjektives
„Recht“, d. h. wenn ihm diese Befugnis nicht bloß zugestanden, sondern gewährleistet war.
II. 1. B. hat in Württemberg vor 1900 das Eigentum an dem obersten Stockwerk eines
Hauses erworben, was nach damaligem württembergischen Recht zulässig war. Hier behält
er dies Recht auch nach 1900, obschon das BGB. ein getrenntes Eigentum an einzelnen
Stockwerken eines Hauses nicht zuläßt (93, 94; EcG. 182). 2. C. in Bromberg hatte vor
1900 auf eine ihm gegen D. zustehende Forderung gerichtlich einseitig Verzicht geleistet, was
nach damaligem preußischem Recht gültig war (pr. LR. I, 16 § 392). Hier bleibt C.s
Forderung auch nach 1900 erloschen, obschon das BB. den einseitigen Verzicht auf eine
Forderung nicht zuläßt (397). 3. Ob ein vor 1900 von einer Ehefrau geborenes Kind als
ehelich gilt oder ob wenigstens eine Vermutung für die Ehelichkeit des Kinds spricht, be-