§ 17. Recht und Anspruch. 59
a) auf ein positives Tun des andern oder
b) auf ein bloßes Unterlassen des andern oder
IP0) auf beides zugleich gerichtet ist.
2. Es kommt oft vor, daß jemand kraft eines einheitlichen Rechts die
Macht hat, ein bestimmtes Verhalten nicht bloß von einer einzelnen Person,
sondern von einer Personenmehrheit zu verlangen. Alsdann ist der Ausdruck
„Anspruch“ nicht auf diese Macht als Ganzes anzuwenden, sondern es sind
soviel verschiedene Ansprüche anzunehmen, als die Zahl der dem Recht unter-
worfenen Personen beträgt (194 1). Demgemäß kann es geschehn, daß einem
und demselben Recht eine ganze Reihe (gleichartiger oder untereinander ver-
schiedener) Ansprüche entspringen.
3. Die Person, gegen die ein Anspruch gerichtet ist, heißt der Schuldner
des Anspruchs. Ihr Unterworfensein unter den Anspruch heißt Pflicht,
Verpflichtung oder Schuld.
Beispiele. I. Das Schulgrundstück der Gemeinde A. grenzt an das Bauerngut des
B.; B. hat eigenmächtig, ohne die Gemeinde zu fragen, unter Beihilfe des Maurers C.
mitten auf der Grenze eine Backsteinmauer errichtet. Hier kann die Gemeinde verlangen,
daß B. und C. die Mauer, soweit sie auf Gemeindeboden steht, wieder entfernen (1004 Ia). Es
steckt also in dem Eigentum der Gemeinde an dem Schulgrundstück eine Anspruchsmacht.
Und zwar handelt es sich um zwei Ansprüche, einen gegen B., einen andern gegen C., alle
beide auf ein positives Tun des Anspruchsschuldners gerichtet. II. Gleicher Fall; nur ist
aus dem Verhalten B.8 zu entnehmen, daß er noch weitere Grenzstörungen gegenüber der
Gemeinde vorhat. Hier kann die Gemeinde gegen ihn schon jetzt auf Unterlassung solcher
künftigen Störungen klagen (1004 Ib). Das Eigentum der Gemeinde an dem Schulgrundstück
enthält also in diesem Fall noch einen dritten Anspruch, der, anders als die beiden Ansprüche
zu I, auf eine bloße Unterlassung des Anspruchsschuldners gerichtet ist.
II. 1. Setzt man die Analhyse der einzelnen subjektiven Rechte fort, so
stellt sich heraus, daß sie neben einem oder mehreren Ansprüchen oder an
Stelle der Ansprüche auch nicht anspruchsartige Bestandteile enthalten
können. Gemeinsam ist diesen letzteren Bestandteilen,
a) daß, während jeder „Anspruch“ auf das Tun oder Unterlassen einer
Person, also auf einen Vorgang tatsächlicher Art geht, sie selber auf eine
reine Rechtswirkung gerichtet sind,
b) daß ihnen ein Schuldner nicht gegenüber steht.
2. Die nicht anspruchsartigen Bestandteile der subjektiven Rechte gehn
auf irgendeine „Rechtswirkung“, insbesondere auf die Neubegründung oder
Ülbertragung, auf die Anderung, Hemmung oder Aufhebung von Rechten.
Genauer: indem dem Berechtigten irgendein subjektives Recht mit einem
solchen auf eine Rechtswirkung abzielenden nicht anspruchsartigen Bestandteil
zugestanden wird, wird ihm damit vom objektiven Recht gewährleistet, daß
eben diese Rechtswirkung möglich oder gar daß sie gewiß ist. Dies kann in
doppelter Art geschehn.
.) Entweder wird dem Berechtigten die Macht zugestanden, durch eine
Erklärung seinerseits zu bestimmen, ob jene Rechtswirkung eintreten soll, so daß